Cobots steigern Output

Cobots steigern Output

KMU meistert Griff in die Kiste

Das Unternehmen Jenny | Waltle wendet Lean- und Kaizen-Konzepte an, um möglichst kurze Lieferzeiten und eine hohe Qualität zu erreichen. In seiner optimierten Produktion beweist sich der Zulieferer unlängst in der Königsdisziplin der Automatisierung, dem Bin Picking. Zwei Cobots von Universal Robots greifen unsortierte Teile aus einer Kiste und bestücken eine CNC-Fräse für mehr Prozesssicherheit, eine Null-Fehler-Quote und dem Fachkräftemangel zum Trotz.

Mit einer Wiederholgenauigkeit von +/- 0,1mm legt der UR5 die Werkstücke hochpräzise und konstant in den hydraulischen Spanner der CNC-Fräse ein. (Bild: Universal Robots (Germany) GmbH)

Mit einer Wiederholgenauigkeit von +/- 0,1mm legt der UR5 die Werkstücke hochpräzise und konstant in den hydraulischen Spanner der CNC-Fräse ein. (Bild: Universal Robots (Germany) GmbH)

Ein Blick in die Produktionshallen von Jenny | Waltle verrät sofort: Hier sitzt jeder Handgriff, jeder Ablauf befindet sich in einem reibungslosen Fluss. An Fertigungsinseln bestücken Werker routiniert CNC-Fräsen, montieren Einzelteile präzise zu komplexen Baugruppen, prüfen konzentriert die Qualität von Zwischen- und Endprodukten. Vom Werkzeug bis zum Kehrblech, alles hat seinen festen Platz. Ein großer Bildschirm zeigt die Auftragslage minutengenau an. Pläne auf Papier gibt es nicht. „Wir beschäftigen uns intensiv mit der Kaizen-Lehre und den Lean-Prinzipien“, erklärt Daniel Waltle, einer der zwei Geschäftsführer von Jenny | Waltle. „Arbeitswege halten wir kurz und die Arbeitsplätze statten wir je nach Aufgabe maßgeschneidert mit Werkzeugen aus. Damit läuft unsere Organisation schlank und effizient.“ Seit mehr als 35 Jahren produziert das österreichische Unternehmen Aluminium-, Metall- und Kunststoffteile. Zu den Hauptabnehmern zählen Hersteller von Sonnenschutz, Fassaden und Zäunen sowie Sportausrüster. „Der Kunde steht bei uns absolut im Mittelpunkt. Auf schnelle Durchlaufzeiten und hohe Qualität kann er sich jederzeit verlassen“, erzählt Waltle stolz. Die Geburtsstunde der schlanken Produktion reicht bei Jenny | Waltle ins Jahr 2005 zurück. „Wir standen damals vor der Entscheidung, entweder weiterhin in Slowenien zu produzieren oder unsere Fertigung nach Österreich zu holen – und damit näher an unseren Kunden zu sein“, erzählt der Geschäftsführer des 50-Mann-Betriebs. Das Unternehmen entschied sich für Vorarlberg als Standort und macht es sich fortan zur Aufgabe, die Abläufe im neuen Werk so verschwendungsarm wie möglich zu gestalten. „Wir hinterfragen uns jeden Tag und haben den Anspruch, uns stets zu verbessern“, sagt Waltle. Wachstum zu generieren, ist für den Betrieb hingegen zunehmend herausfordernd. „In der Region herrscht Vollbeschäftigung. Qualifiziertes Fachpersonal zu finden, ist extrem schwierig für uns“, erzählt Waltle. „Um trotzdem weiter wachsen zu können, müssen wir automatisieren.“ So kam es, dass der Aluminiumbearbeiter im Jahr 2010 erstmals auf Robotik in der monotonen Maschinenbestückung setzte.

Das 3D-Kamerasystem befähigt den Cobot zum Sehen. So weiß er, wie er die Teile aus der Kiste entnehmen muss. (Bild: Universal Robots (Germany) GmbH)

Das 3D-Kamerasystem befähigt den Cobot zum Sehen. So weiß er, wie er die Teile aus der Kiste entnehmen muss. (Bild: Universal Robots (Germany) GmbH)

Intuitive Handhabung für den präzisen Griff

Gestartet mit einem herkömmlichen Industrieroboter, wurde dem Betrieb schnell klar: Eine flexiblere Lösung muss her. „Sobald es um kleine Losgrößen geht, ist die einfache Bedienung das, was wirklich zählt. Nur so können wir ein System bei neuen Aufträgen schnell umrüsten. Die Performance ist zweitrangig“, erklärt Sebastian Schuler – der 26-jährige ist Konstrukteur bei Jenny | Waltle. Im CNC-Maschinenpark fertigt der Zulieferer Losgrößen zwischen 500 und maximal 5.000 Stück. „Auf der Automatica 2016 wurden wir auf Universal Robots aufmerksam. Die intuitive Benutzerführung und große Flexibilität der Technologie überzeugten uns sofort“, berichtet Waltle. Seit 13 Monaten bestücken zwei kollaborierende Roboter von Universal Robots in unmittelbarer Nähe zu ihren menschlichen Kollegen eine CNC-Fräse. Bis zu 2.400 Aluminiumteile handeln sie täglich im Zweischichtbetrieb. Für die Applikation hat sich der innovative Mittelständler an die Königsdisziplin der Industrieautomation gewagt: das Bin Picking. Schuler erklärt versiert: „Die größte Herausforderung war es, dem UR5 beizubringen, unsortierte Teile aus einer Kiste zu nehmen. Dafür haben wir ihn mit einem 3D-Kamerasystem verknüpft.“ Die externe Kamera scannt zunächst die vorgesägten Aluminiumteile und generiert daraus einen 3D-Datensatz – die sogenannte Punktwolke. So erkennt der erste Cobot die komplexen Oberflächenstrukturen sowie die genaue Anordnung der Objekte. Ausgestattet mit einem Vakuumgreifer entnimmt er anschließend Teil für Teil aus dem Behälter. Eine zusätzliche Achse am Werkzeugflansch ermöglicht dem Cobot dabei eine kollisionsfreie und exakte Werkstückaufnahme. Für die maximale Präzision im Griff richtet er das Teil anschließend in einer Zwischenablage aus. Hat der Roboter ein Objekt z.B. verkehrt herum aufgenommen, wirft er es zurück in die Kiste und probiert es nach einem nächsten Scan erneut. Sitzt das Teil korrekt, legt der UR5 es in eine weitere Ablage. Hier übernimmt der zweite Cobot, der die Komponenten präzise im hydraulischen Spanner der CNC-Fräse platziert. Nach der Bearbeitung durch die Maschine greift er die Teile und legt sie in eine finale Ablage, von der der erste Cobot sie dann in eine leere Kiste wirft. „Eine Vorsortierung der Komponenten durch den Menschen kam für uns nicht in Frage. Das wäre ja nicht mehr wirklich lean gewesen“, erklärt Waltle die Entscheidung für den Griff in die Kiste. Die Zykluszeiten liegen zwischen 30 und 40s.

Kurze Umrüstzeiten

Anfangs unterstützte der UR-Partner STB Steuerungstechnik Beck den Aluminiumbearbeiter bei der Entwicklung der Applikation. Er richtete die grundlegenden Schnittstellen zwischen dem Roboterarm und der Kamera sowie zwischen den beiden Cobots ein. Seither programmiert Jenny | Waltle die Anlage selbstständig für immer neue Aufträge und verbessert Greifer, Spanner sowie Ablagen kontinuierlich. „Ich habe noch nie eine Roboterschulung gemacht. Das braucht es ja auch gar nicht. Die Cobots sind so einfach zu bedienen. Ihre Programmierung habe ich mir selbst beigebracht“, freut sich der junge Konstrukteur und Waltle ergänzt: „Besonders stolz sind wir auch auf die kurzen Umrüstzeiten der Anlage. Wir benötigen maximal eine Stunde, bis die UR-Cobots bereit sind, die CNC-Maschine mit neuen Teilen zu bestücken.“ Der Betrieb hat den Arbeitsplatz der Roboterkollegen modular gestaltet. Programme für zwölf verschiedene Aluminiumteile sind auf den Cobots gespeichert und schnell abrufbar. Die Ablagen und Spannvorrichtungen lassen sich einfach austauschen. „Mit Universal Robots können wir selbst kleine Losgrößen wirtschaftlich realisieren“, sagt Waltle. Bevor die Cobots im Unternehmen Einzug fanden, mussten ihre menschlichen Kollegen die Maschinen händisch bestücken. „Für unsere Mitarbeiter war das extrem fordernd und ermüdend. Sie mussten mit einem Akkuschrauber jedes Teil einzeln einspannen und sicherstellen, dass alles richtig sitzt. Dabei hat die CNC-Fräse ihnen den Takt vorgegeben“, erinnert sich der Geschäftsführer. Die UR-Cobots entlasten die Mitarbeiter heute zugunsten höherwertiger Aufgaben. Sie richten die Anlage für neue Aufträge ein, stellen den Cobots ausreichend Teile bereit oder widmen sich der Endabnahme. „Die Qualitätssteigerung durch die Cobots von Universal Robots ist groß. Seit wir sie im Einsatz haben, hatten wir kein schlechtes Teil mehr. So können wir unseren Kunden auch zukünftig Produkte in Spitzenqualität garantieren“, zeigt sich Waltle zufrieden. Neben einer Null-Fehler-Produktion konnte der Zulieferer seinen Output im Anwendungsbereich innerhalb von zwölf Monaten um elf Prozent steigern.

Seiten: 1 2Auf einer Seite lesen

Universal Robots (Germany) GmbH
www.universal-robots.com

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: Fraunhofer-Institut IFAM
Bild: Fraunhofer-Institut IFAM
Positioniergenauigkeit egal

Positioniergenauigkeit egal

Für die Qualitätskontrolle von additiv gefertigten (3D-gedruckten) Metallbauteilen hat das Fraunhofer IFAM eine Messstation entwickelt, die aus einem Leichtbauroboter, einem Inline-Sensor (Streulicht) und einem 3D-Sensor (3D-Flächenscanner) besteht. Mithilfe des 3D-Sensors ließ sich erfolgreich die Position der Bauteile bestimmen, woraufhin der Roboterpfad an Verschiebungen und Drehungen angepasst werden konnte. Anschließend konnte mit dem Inline-Sensor dann positionsunabhängig die Rauheit als Qualitätsmerkmal der Bauteile bestimmt werden.

Bild: Zimmer Group
Bild: Zimmer Group
Weniger Kosten durch Zeitersparnis

Weniger Kosten durch Zeitersparnis

Wenn es um die Produktion von Radialwellen-Dichtungsringen geht, ist eine intelligente Greiflösung unerlässlich, denn der Greifer muss Dichtungsringe mit verschiedenen Maßen flexibel handhaben. Der Hersteller Kaco setzt hierbei auf einen IO-Link-Greifer von Zimmer, der letztendlich die Produktion effizienter und schneller macht.

Bild: Robotextile GmbH
Bild: Robotextile GmbH
Automatisierung von biegeschlaffen Werkstücken

Automatisierung von biegeschlaffen Werkstücken

Bei der Handhabung biegeschlaffer Werkstücke treten am Produkt Verformungen auf, die die Automatisierung seit Jahrzehnten vor ein Problem stellen. Eine weitere Herausforderung, die das prozesssichere Greifen von Stoffen bisher nahezu unmöglich macht, ist das Vereinzeln von Stofflagen voneinander. So findet die Maschinenbestückung und -entnahme in der Textilindustrie meist manuell durch eine Person statt. Diese nicht wertschöpfenden Tätigkeiten und Blindprozesse können nun durch die Greiferlösungen von Robotextile automatisiert werden.