Interdisziplinäres Forschungsprojekt Robofill 4.0

Industrie-4.0-Technologien nutzen

Als finaler Baustein ermöglicht ein Multiagentensystem die dezentrale und durch das Produkt getriebene Produktion. Zwar existieren Agentensysteme bereits seit über 15 Jahren, doch gerade durch Industrie 4.0 gerät die Technologie als dezentrales Steuerungselement zunehmend in den Fokus. Es entsteht dadurch ein cyberphysisches System (CPS), bestehend aus einer Menge von eingebetteten Systemen, wie beispielsweise Industriesteuerungen, Sensoren und Aktoren, die über eine Kommunikationsinfrastruktur miteinander kommunizieren. Hinzukommen noch die Produkte. Theoretisch lässt sich jede an der Produktion beteiligte physische Komponente als digitaler Schatten in Form eines Software-Agenten abbilden. In der Praxis bietet es sich jedoch an, nur die Komponenten abzubilden, die auch ein Teil der flexiblen Fertigung sind. Jedem dieser Objekte wird über eine eindeutige Kennung ein Agent zugeordnet. Der Agent kennt den aktuellen Zustand des Objekts, der sich aus dem internen Status (z.B. wer bin ich, wo bin ich, was ist bereits mit mir passiert) und den Zielen (z.B. was soll ich machen, wo will ich hin, was soll mit mir passieren) zusammensetzt. Er versucht nun anhand konfigurierbarer Strategien (z.B. möglichst schnell oder ressourcensparend) selbstständig seine Ziele zu erreichen. Dafür kommuniziert er mit seiner Umgebung und anderen Agenten. Je nach System kann dies auch dazu führen, dass hochkomplexe Zielfindungsstrategien realisiert werden. Ein entscheidender Vorteil der virtuellen Intelligenz auf mehreren Agenten gegenüber einer zentralen Steuerung ist: Ausfälle einzelner Komponenten lassen sich dynamisch ausgleichen, indem andere Agenten diese Aufgaben mit übernehmen oder ein anderer Lösungsweg gefunden wird. Die Produktion kann also trotz des Ausfalls eines Teilsystems weitergeführt werden.

Modell eines Multiagentensystems im Fertigungsumfeld: Jede transporteinheit, jede Fertigungseinheit und jedes Werkstück erhält einen eigenen Agenten. (Bild: Infoteam Software AG)

Agenten für einfache und komplexe Objekte

Die künstliche Intelligenz der Agenten spiegelt sich in der Kombination aus Objekt, Zustand und Kommunikation wider. Hierfür gibt es grundsätzlich drei unterschiedliche Möglichkeiten, Objekte und Agenten miteinander zu koppeln – das sogenannte Mapping. Für alle Arten gilt dabei, dass die Zugriffs- und Ausfallsicherheit des Systems auf Agentenebene durchgeführt wird. Dazu gehört die Zustandsspeicherung in Datenbanken zur Ausfallsicherheit und die Systemsicherheit innerhalb des Agenten oder der Sicherheitszone. Komplex aufgebaute Objekte verfügen unter Umständen bereits über eigene Speicher und Prozessoren. Dazu gehören beispielsweise Anlagen, die autark arbeiten müssen. Diese vorhandene IT-Infrastruktur lässt sich nutzen, indem der Softwareagent direkt innerhalb des physischen Objektes gespeichert und ausgeführt wird. Von dort aus tritt er mit den anderen Agenten in Kommunikation. Weniger komplexe Objekte besitzen nur einen integrierten Speicher, einen Flash-Speicher oder einen beschreibbaren RFID-Tag. Dieser Speicher lässt sich in der Produktion mit dem Zustand des Objektes beschreiben, sodass alle Informationen direkt im Objekt gespeichert sind. Der Agent jedoch wird nicht auf dem Objekt ausgeführt, sondern z.B. in einer Cloud, von wo aus er den Zustand des Objektes ausliest und aktualisiert. Für beide beschriebenen Methoden gilt, dass sie beliebig skalierbar, also an die speziellen Bedürfnisse des Anwendungsfalles anpassbar sind. Nimmt man als physische Teilkomponente der Fertigung beispielweise eine speicherprogrammierbare Steuerung innerhalb einer Abfüllanlage, so wird diese sowohl eine Datenhaltung haben, wie auch Funktionalitäten bereitstellen: Hier sind Teile der Intelligenz demnach auch in der Steuerung selbst integriert und lassen sich vom Agenten nutzen. Als mögliche Zugriffsschnittstellen für den Datenaustausch bzw. den Methodenaufruf zwischen Agenten und physischen Objekten kann OPC UA verwendet werden. OPC UA entwickelt sich immer mehr zum Standard für die Übertragung von komplexen Daten in der Automatisierung und wird von modernen Industriesteuerungen unterstützt. Die dritte Möglichkeit für die Verknüpfung zwischen Agenten und Objekten, wie beispielsweise Werkstücken, ist das sogenannte Tagging. Diese Lösung bietet sich besonders für einfach gehaltene Objekte an, wie Getränkeflaschen. Sie müssen nicht mit kostenintensiver Hardware ausgestattet werden, sondern erhalten einen Barcode, QR-Code oder RFID-Tag, der von einem Lesegerät ausgelesen werden kann. So lässt sich jedes Objekt eindeutig identifizieren und dem Software-Agenten zuordnen. Der dazugehörige Agent wird in der Cloud ausgeführt. Der Zustand des Objektes liegt ausschließlich im Agenten und wird auch hier aktualisiert. So lässt sich jedes Werkstück kostengünstig in das Agentensystem integrieren.

Umsetzung des Agentensystems

Für das Forschungsprojekt Robofill wird der Endkunde über ein Onlineportal die individuelle Fertigung seiner Getränkeflasche in Auftrag geben (digitales Ticket). Jede Flasche wird mit einem eindeutigen QR-Code versehen und lässt sich dem Werkstückagenten zuordnen, der in einer Cloud ausgeführt wird. Physischen Modulen des Produktions- und Materialflusssystems werden Agenten zugeordnet, die anhand des digitalen Tickets mit den benötigten Produktionsaufträgen und Produktionswissen versorgt werden. Hierbei lassen sich moderne Abfüll- und Verpackungsanlagen u.a. über die integrierte OPC-UA-Schnittstelle in das Multiagentensystem integrieren. Neben dem Multiagentensystem und dem webbasierten Kundenportal wird die virtuelle Produktionsumgebung noch durch die Auftrags- und Datenverwaltung inklusive eines Datenbanksystems ergänzt.

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infoteam Software AG
www.infoteam.de

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