Nichts für Standardroboter

Komplexe Messaufgaben automatisieren mittels Deflektometrie

Nichts für Standardroboter

Voraussetzung dafür, dass sich die Produktion der Zukunft selbst steuert, ist eine automatisierte Mess- und Prüftechnik. Die Nachfrage nach solchen Lösungen steigt – selbst bei Oberflächeninspektionen, in der Sichtprüfungen mit bloßem Auge noch weit verbreitet sind. Bevor eine automatische Oberflächenkontrolle hier selbstverständlich wird, gilt es noch, einige technologische Hürden zu nehmen.

Bild: Carl Zeiss Industrielle Messtechnik GmbH

Ein Roboter nimmt die gekrümmte Zierleiste mithilfe von Vakuumsaugern auf, um sie an der Zeilenkamera des Prüfsystems vorbeizuführen. Dabei entsteht per Deflektometrie ein langegezogenes Bild der Oberfläche. (Bild: Carl Zeiss Industrielle Messtechnik GmbH)

„Presse 3 bitte reinigen, durch einen Span in der Form droht Ausschuss“. Solche Aussagen sollen zukünftig die Produktionssteuerung verbessern, wenn das Projekt Production Intelligence von Dr. Wolfgang Kimmig und seinen Mitstreitern am Ziel ist. Der Projektleiter im Geschäftsbereich Process Control & Inspection bei Zeiss Industrial Metrology arbeitet mit mehreren Kooperationspartnern daran, die Oberflächenprüfung von Zierleisten für Fahrzeuge zu automatisieren. Involviert in das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt (Förderkennzeichen 01IS15011) sind neben Zeiss das Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik, der Automobilzulieferer Fischer IMF und das Softwareunternehmen Jedox AG. Hauptaufgabe von Zeiss ist dabei die Gewinnung der Messdaten – was einfacher klingt als es ist. Obwohl das Team bereits ähnliche Prüfaufgaben für andere Werkstücke realisiert hat, ließ sich das aktuelle Projekt nur mit hohem Aufwand umsetzen. Die größten Herausforderungen, vor denen das Projektteam stand, hingen eng mit der eingesetzten optischen Technologie zusammen.

Streifen zur Defekterkennung

Das Verfahren der Deflektometrie, das Prüfsystemen wie dem SurfMax zugrunde liegt, wird bereits erfolgreich in der Praxis eingesetzt. Um Oberflächenfehler zu erkennen, beleuchten LED-Arrays das Werkstück mit unterschiedlichen, sinusförmigen Streifenmustern. Diese werden an der Oberfläche des Prüfteils reflektiert und von einer Kamera aufgenommen, die mehrere Bilder in direkter Abfolge erfasst. Aus diesen Rohbildern errechnet die Software nicht nur ein Graubild mit reinen Helligkeitsinformationen, sondern auch Glanz- sowie Neigungsinformationen der Oberfläche. Der Vorteil: Eine Scheuerstelle beispielsweise, die im Graubild kaum sichtbar ist, tritt im Glanzbild deutlich in Erscheinung. Das Neigungsbild hingegen macht Schlagstellen oder Kratzer erkennbar. Eine spezielle Software wertet die Bilder automatisch aus. Die Kriterien und Grenzwerte dafür werden vorab festgelegt. „Selbst der erfahrenste Sichtprüfer kann Defekte nicht annähernd so genau analysieren, wie ein gutes Messgerät mithilfe der Deflektometrie“, betont Kimmig. Die bogenförmige Anordnung der LED-Arrays erlaubt es im Fall des SurfMax, auch gekrümmte Oberflächen auszuleuchten. Die hohe Lichtleistung ermöglicht zusätzlich kurze Belichtungszeiten und somit schnelle Bildaufnahmen – die Voraussetzung für den Einsatz im Fertigungstakt.

Stark gekrümmte Prüflinge

Das Problem bei der Prüfung der Zierleisten: Obwohl Anwender mit dem SurfMax erfolgreich die Oberflächen zylindrischer Buchsen oder Kniegelenke prüfen, ließ sich das System nicht einfach auf die Metallleisten übertragen. Dies scheiterte an der Form der 3 bis 10cm breiten und 1 bis 1,20m langen, stark gekrümmten Leisten. Denn das bisher eingesetzte Prüfsystem war auf vier Achsen beschränkt und bot keine Möglichkeit, solche Teile komplett zu prüfen. Das Projektteam entschloss sich, einen Roboter einzusetzen, der den Prüfling zur Inspektion an einer fest installierten Zeilenkamera vorbeiführen und entsprechend drehen sollte. So sollte die gesamte Oberfläche abgebildet werden. Dabei stellten sich jedoch drei Schwierigkeiten dar: Erstens mussten die Entwickler nicht nur die genaue Geschwindigkeit des Roboters kennen, um ein scharfes, aussagekräftiges Bild zu erzielen. Diese musste zweitens auch konstant bleiben, damit keine streifenförmigen Artefakte im Bild auftraten. Drittens musste sich die Leiste trotz ihrer gekrümmten Form während des gesamten Scans im Schärfebereich der Kamera befinden, das heißt einerseits hatte die Kamera den entsprechenden Schärfebereich zu bieten, andererseits hatte der Roboter das Werkstück stets im richtigen Abstand zu halten. Keine Aufgaben für einen Standard-Roboter, der darauf ausgelegt ist, ein Teil schnell von A nach B zu befördern.

Seiten: 1 2Auf einer Seite lesen

Carl Zeiss Industrielle Messtechnik GmbH
www.zeiss.de/imt

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: KUKA AG
Bild: KUKA AG
Cobot-Einsatz in der Qualitätssicherung

Cobot-Einsatz in der Qualitätssicherung

Zur Qualitätssicherung des neuen Mahlwerks für die neue Kaffeemarke Ligre hinsichtlich Langlebigkeit und Einhaltung des voreingestellten Kaffeegewichts setzten die Entwicklungstechniker von Gronbach in einem Testaufbau auf die Unterstützung durch den Cobot LBR iisy von Kuka.

Bild: Fraunhofer-Institut IML
Bild: Fraunhofer-Institut IML
Belohnung als 
Anreiz zum Lernen

Belohnung als Anreiz zum Lernen

KI-Entwickler Julian Eßer trainiert Roboter, sich intelligent zu verhalten. Denn das Entscheidende ist, dass die Maschinen nicht nur bei kalkulierbaren Ereignissen richtig handeln. Vor allem müssen sie auch in unvorhergesehen Situationen das Richtige tun. Dafür testet er als Mitglied des AI Grids, einer Initiative des Bundesforschungsministeriums, die vielversprechende Talente in künstlicher Intelligenz in Deutschland fördert, am Fraunhofer IML Hunderte Roboter in virtuellen Welten. Ziel ist, dass die Maschinen üben und lernen, mit Störungen und Varianten ähnlicher Situationen umzugehen – und dann selbst Varianten anbieten. Dafür kommt eine Art Belohnungssystem für Roboter zum Einsatz: So lernen sie leichter aus Fehlern und wählen den schnellsten und effektivsten Weg zum Ziel.

Bild: TeDo Verlag GmbH
Bild: TeDo Verlag GmbH
inVISION Day Metrology 2024

inVISION Day Metrology 2024

Am 16. Mai 2024 findet zum zweiten Mal der inVISION Day Metrology – Digital Conference for Metrology statt. An dem Tag werden in den vier Sessions 3D-Scanner, Inline Metrology, Surface Inspection sowie CT & X-Ray aktuelle Lösungen und Produkte in zahlreichen 20-minütigen Vorträgen präsentiert.