Interview mit Olaf Gehrels und Ralf Zeisberger von Coboworx

Interview mit Olaf Gehrels und Ralf Zeisberger von Coboworx

„Roboterautomation – wir machen’s einfach“

Olaf Gehrels und Ralf Zeisberger haben gemeinsam mit Klaus Wagner und Georg Matheus die Firma Coboworx gegründet. Das Startup entwickelt für kleine und mittelständische Unternehmen roboterbasierte Automatisierungslösungen. Für die erfolgreiche Realisierung solcher Projekte bringen die vier Experten mehr als 100 Mannjahre praktische Erfahrungen mit. Ein Porträt.

Die vier von der 'Think-Stelle': Olaf Gehrels, Klaus Wagner, Georg Matheus, Ralf Zeisberger (v.l.) entwickeln für kleine und mittelständische Unternehmen roboterbasierte Automatisierungslösungen. (Bild: Coboworx GmbH)

Die vier von der ‚Think-Stelle‘: Olaf Gehrels, Klaus Wagner, Georg Matheus, Ralf Zeisberger (v.l.) entwickeln für kleine und mittelständische Unternehmen roboterbasierte Automatisierungslösungen. (Bild: Coboworx GmbH)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Herr Gehrels, der Name Ihres Unternehmens signalisiert zwar, dass kollaborierende Roboter im Mittelpunkt der geschäftlichen Aktivitäten stehen. Was aber heißt das konkret?

Olaf Gehrels: Coboworx ist eine innovative Online-Plattform, mit der wir kleinen und mittelständischen Unternehmen in der Industrie den Einstieg in die Roboterautomation erleichtern, insbesondere in die Welt der kollaborierenden und mobilen Roboter. Auf dieser Plattform können sich die Investitionsentscheider und -vorbereiter solcher Unternehmen schnell und grundlegend über das Thema MRK informieren, Kontakt zu uns aufnehmen, ihre jeweiligen Anwendungsfälle beschreiben.

Ralf Zeisberger: Und wir unterbreiten ihnen dann innerhalb von wenigen Arbeitstagen eine Machbarkeitsanalyse und erste praktikable Lösungsvorschläge inklusive Kostenschätzung und Risikobeurteilung. Transparent, schnell und unkompliziert. Dabei fokussieren wir im Moment Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Mittelfristig ist angedacht, unsere Geschäftstätigkeit auf andere Länder in Europa und darüber hinaus auszuweiten.

„Wir entwickeln mit unseren Kunden Cobot-basierte Automatisierungslösungen, unabhängig und herstellerneutral.“
Olaf Gehrels , Coboworx (Bild: Coboworx GmbH)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wie ist diese Geschäftsidee überhaupt entstanden?

Zeisberger: Das Anwendungsspektrum für Cobots ist riesig, der mögliche Markt nicht einmal annähernd definiert. Wir vier Coboworx-Gründer haben bereits jahrelang erfolgreich zusammengearbeitet und dabei festgestellt, dass die großen, namhaften Roboterbauer, die Cobots im Programm haben, sich mit deren Vermarktung immer noch erstaunlich schwer tun.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Warum ist das so?

Gehrels: Die Ursachen sind vielschichtig. Für die meisten Roboterbauer war und ist die Automobil- und ihre Zulieferindustrie der erklärte Hauptmarkt. Laut offizieller Statistiken arbeiten weltweit etwa siebzig Prozent aller Roboter in der Automobilindustrie. Als das Thema Mensch/Roboter-Kollaboration mehr und mehr an Bedeutung gewann, rückte die allgemeine Industrie als Zielmarkt deutlicher in den Fokus. Nur ist dort die Anwendungsvielfalt viel größer. Die Zahl der KMUs, die hinsichtlich Geschäftstätigkeit, Produktspektrum, Produktionsstrategie, Automatisierungsgrad und -bedarf als potenzielle Cobot-Anwender infrage kommen, ist eigentlich nicht fassbar. Da kommt man mit den eingeübten und herkömmlichen Vertriebsstrategien nicht wirklich weiter. Last but not least sind MRK-Projekte in aller Regel applikationsspezifische Insellösungen. Entsprechend hoch ist der Beratungs- und Arbeitsaufwand pro Kunde.

„Gerade kleine und mittelständische Unternehmen, die erstmals in die Roboterautomatisierung einsteigen, brauchen Beratung.“ Ralf Zeisberger, Coboworx (Bild: Coboworx GmbH)

Zeisberger: Auf Anwenderseite brauchen gerade kleine und mittelständische Unternehmen Beratung, die erstmals in die Roboterautomatisierung einsteigen. Sie wollen wissen, mit welchen am Markt verfügbaren Geräten sich ihre zu automatisierende Arbeitsaufgabe bewerkstelligen lässt. Sie wollen wissen, wie Cobots in den bestehenden Arbeitsablauf integriert werden können und welche Änderungen sich möglicherweise dadurch ergeben. Was ist mit der Arbeitssicherheit? Von leichter Bedienbarkeit und Programmierung hat man vielleicht schon mal gehört, aber wie funktioniert das in der Praxis? Bei solchen und weiteren Fragen sind KMU, speziell wenn sie beim Thema MRK Neueinsteiger sind, ziemlich auf sich allein gestellt.

Gehrels: Die Integration von MRK-Lösungen übernehmen ja in aller Regel Systemhäuser. Doch auch hier stehen KMU vor Fragen wie: Welche Systemintegratoren gibt es überhaupt? Und welche davon haben mit Cobot-Projekten am meisten Erfahrung?

ROBOTIK UND PRODUKTION: Und die Antworten darauf gibt Coboworx?

Gehrels: Ja, denn angesichts des geschilderten Problems war für uns klar: Roboterautomation – wir machen’s einfach. Das nötige Knowhow haben wir und begleiten daher jeden Kunden bei der effektiven und schnellen Realisierung seines roboterbasierten Projektes von Anfang an. Gemeinsam mit ihm analysieren wir den zu automatisierenden Arbeitsschritt einschließlich der Prozesse davor und danach. Aufgrund dieser Analyse erarbeiten wir ein detailliertes Konzept. Und wenn das vom Kunden abgenommen worden ist, bringen wir ihn mit den relevanten Partnern zusammen.

„MRK-Projekte sind in aller Regel applikationsspezifische Insellösungen. Entsprechend hoch ist der Beratungs- und Arbeitsaufwand pro Kunde.“
Olaf Gehrels , Coboworx (Bild: Coboworx GmbH)

Zeisberger: Wenn sich bei der Analyse herausstellt, dass die vom Kunden eigentlich favorisierte Roboterlösung unpraktikabel ist, weil überdimensioniert oder nicht wirtschaftlich, dann schlagen wir technische Alternativen vor oder überlegen, welche Aufgaben ein Cobot zusätzlich übernehmen könnte, damit sich das Projekt für den Kunden rechnet.

Gehrels: Dazu passt sehr schön ein Projektbeispiel aus der jüngsten Vergangenheit: Ein Spirituosen-Hersteller, ein Startup-Unternehmen, wollte in seiner Versandabteilung das Aufrichten von Kartons, das bislang manuell erfolgt ist, mit einem Cobot automatisieren. Genau dafür haben wir diesem Kunden ein Konzept unterbreitet, inklusive Kostenvoranschlag. Zwar werden die so automatisch aufgerichteten Kartons momentan noch von einem Mitarbeiter händisch mit Flaschen befüllt, doch auch diese Aufgabe kann der Roboter übernehmen, wenn irgendwann daran Bedarf besteht. Da muss dann nur noch die Roboterperipherie entsprechend angepasst werden.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Nach welchen Kriterien entwickeln Sie solche kundenspezifischen Automatisierungslösungen?

Zeisberger: Durch die Gespräche mit dem Kunden während der Analyse kennen wir seine Präferenzen, die projektspezifischen Arbeitsinhalte, den Kostenrahmen und verschiedene andere Fakten mehr. Genauso gut kennen wir die für die jeweilige Applikation infrage kommenden Roboter, ihre Stärken und Schwächen, Referenzbeispiele und so weiter. Darauf basieren dann die Lösungsvorschläge, die wir dem Kunden als Konzept unterbreiten, und die sind völlig pragmatisch.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Mit welchen Roboterherstellern arbeiten Sie zusammen?

Gehrels: Wir beraten herstellerübergreifend und völlig neutral. Uns interessiert ausschließlich, dass jeder unserer Kunden seine Automatisierungsaufgabe so effektiv, so kostengünstig und so schnell wie möglich gelöst kriegt. Das kann kein Roboterbauer leisten, weil jeder seine eigenen Cobots in den Markt bringen muss. Allerdings arbeiten wir bei verschiedenen Disziplinen wie etwa Sicherheitskonzepte und -zertifizierungen, Risikobeurteilungen und -normierungen, Programmierung, Software, Schulungen und so weiter mit einer Reihe von Partnern zusammen.

„Easy to use ist in der Industrieautomation quasi ein Dauerbrenner.“ Ralf Zeisberger, Coboworx (Bild: Coboworx GmbH)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Stehen Sie mit Ihrer Geschäftstätigkeit nicht im direkten Wettbewerb zum Vertrieb oder dem Projektmanagement von Roboterherstellern?

Gehrels: Nein. Wir verkaufen keine Roboter, sondern entwickeln mit unseren Kunden roboter-basierte Automatisierungslösungen, unabhängig und herstellerneutral. Der Roboter ist dabei lediglich eine Komponente von vielen anderen, wie etwa Greifern, Zuführ- und Palettiersystemen, Bildverarbeitungssystemen und dergleichen mehr. Das macht Coboworx einmalig. Wir verstehen uns als das Bindeglied zwischen Unternehmen, die in die Roboterautomation einsteigen, sowie Roboterbauern, Systemintegratoren und deren Zulieferern.

Zeisberger: Wir leben im Zeitalter der Digitalisierung. Auf Online-Plattformen werden tagtäglich unglaublich viele Informationen ausgetauscht, Käufe und Verkäufe angebahnt und getätigt und dergleichen mehr. Wenn Roboterbauer irgendwann anfangen sollten, ihre Geräte und Engineering-Leistungen via Internet zu vertreiben, dann könnte man vielleicht von einer Wettbewerbssituation sprechen. Aber das wäre eher eine langfristige Option. Auch sehen wir Coboworx nicht als Wettbewerber zu Systemhäusern.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Sie hatten bereits einige Themen genannt, bei denen KMU als Neueinsteiger in die Roboterautomation fundierte Beratung erwarten. Wie sehen denn die kundenseitigen Anforderungskriterien bei solchen Projekten aus?

Gehrels: Prozesssicherheit und Funktionalität, leichte Bedien- und Programmierbarkeit, leichte Anpassbarkeit an bestehende – heute meist noch manuell ausgeführte – Produktionsabläufe, Wirtschaftlichkeit. Das sind kurzgefasst die Hauptkriterien. Aspekte wie hohe Ausfallsicherheit, Langlebigkeit, Wartungsarmut, umfassende Serviceleistungen und ähnlich werden eigentlich schon vorausgesetzt.

Zeisberger: Easy to use ist in der Industrieautomation quasi ein Dauerbrenner. Dabei rücken mit Blick auf die einfache Programmierbarkeit mittlerweile webbasierte Softwarelösungen in den Fokus. Roboteranwender können ja bereits applikationsspezifische Apps von Online-Plattformen herunterladen, um ihre Geräte selbst zu programmieren. Da wird sich in Zukunft auch noch viel tun.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Sie sind im August vergangenen Jahres mit Coboworx gestartet. Wie hat sich Ihr Geschäft seither entwickelt?

Gehrels: Die Resonanz auf unser eben geschildertes Leistungsangebot hat uns nicht nur sehr überrascht, sondern auch bestätigt, welche Wissenslücken es in kleinen und mittelständischen Unternehmen bezüglich Roboterautomation, MRK, usw. Aber genau das zeigt, dass wir mit Coboworx in unseren Zielgruppen einen Nerv treffen.

Zeisberger: Wir hatten von Anfang an viele Kontakte und interessante Projektanfragen. Eine ganze Reihe davon sind in Bearbeitung, die sich leider durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie mit Kurzarbeit, etc. etwas hinzieht. In der zweiten Jahreshälfte können wir dazu sicher mehr sagen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Stichwort Corona-Pandemie: Wie sehr hat sie Ihrem Geschäft zugesetzt?

Zeisberger: Wenig. Ob ein Produktions- oder Betriebsleiter oder Geschäftsführer den ersten Kontakt mit uns von seinem Büro im Unternehmen aus aufnimmt oder von seinem Home-Office aus, das macht keinen Unterschied. Im Gegenteil: Ich persönlich glaube, dass die durch Corona gebotenen Maßnahmen viele Entscheider in KMU veranlasst haben, ihre Produktionsstrategien und Automatisierungspotenziale neu zu überdenken.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Prognosen, wie die Roboter- und Automatisierungsbranche nach Corona aussehen wird, sind schwierig. Würden Sie es trotzdem versuchen?

Gehrels: Meiner persönlichen Einschätzung nach wird die Roboterbranche keinen ihrer Global Player verlieren. Auch wird kein namhafter System- und Komponentenhersteller vom Markt verschwinden. Zu beobachten ist allerdings zweierlei: Zum einen gibt es branchenübergreifend einen Investitionsstau, ähnlich wie im Zuge der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise vor etwa zehn Jahren. Zum anderen gibt es bei den Anwendern von Robotern und Anlagen ein verstärktes Reshoring: Europäische Unternehmen verlegen ihre geschäftlichen Aktivitäten wieder zurück in ihre Heimatländer. Aus beidem erwächst ein Automatisierungsbedarf, von dem diejenige Unternehmen profitieren werden, die mit ihren kunden- und applikationsspezifischen Lösungen dafür bereits gerüstet sind.

Zeisberger: Etwas anders sieht freilich die Situation für viele Systemhäuser aus, denen die Corona-Krise zum Teil besonders schwer zusetzt und wo die finanzielle Situation eine Herausforderung darstellt. Die müssen sowieso bei jedem Projekt finanziell in Vorleistung gehen und können im Prinzip nur hoffen, dass sie ihre Gelder auch zurückbekommen. Hier sind Liquidität und ein sehr langer Atem das A und O. Da könnte es die eine oder andere Kooperation, Partnerschaft, Übernahme geben. Das wird sich zeigen. (mli)

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