Kolumne von Michael Lind

Kolumne von Michael Lind

Haste mal ’ne Mark?

Alles, womit die Befürworter einer Maschinen- oder Robotersteuer, einer Wertschöpfungsabgabe oder Automatisierungsdividende deren Notwendigkeit begründen, klingt nur bedingt zu Ende gedacht. Gestützt auf Bauchgefühl, Statistiken oder auf diverse Studien wie die der ING-DiBa AG, der Universität Oxford und der Unternehmensberatung A. T. Kearney malen alle – vom ehemaligen Bundesarbeitsminister Herbert Ehrenberg Ende der 1970er-Jahre bis aktuell zum Microsoft-Gründer Bill Gates – den gleichen Teufel an die Wand: Maschinen, Roboter, Computer, Software, ja die ganze Automatisierung von Produktions- und Logistikprozessen überhaupt, vernichten in den führenden Industrienationen Millionen Arbeitsplätze.

 (Bild: Michael Lind)

Michael Lind schreibt seit fast 30 Jahren für und über die nationale und internationale Roboter- und Automatisierungsbranche. Er war knapp zwei Jahrezehnte lang Chefredakteur (später auch Herausgeber) einer Fachzeitschrift zu diesen Themen. (Bild: Michael Lind)

Insofern klingen auch die Schlussfolgerungen von Ehrenberg, Gates und Co. gleich: Unternehmen, die in Produktionsmittel investieren und dadurch menschliche Arbeit abschaffen, senken ihre Lohnstückkosten, produzieren preisgünstiger, steigern Gewinne. Schlimmer noch: Indem sie Maschinen anstelle von Menschen beschäftigen, zahlen sie weniger Beiträge in die Sozialversicherung – Geld, das dem Staat fehlt. Und das soll, ja muss er durch eben jene Steuern, Abgaben, Dividenden von den so handelnden Unternehmen eintreiben. Ein in diesem Kontext recht kruder Vorschlag kommt von Post-Vorstandschef Frank Appel. Er regte im vergangenen Jahr in einem Interview mit der Welt am Sonntag an, dass man „bei Arbeit, die von Menschen geleistet wurde, auf die Mehrwertsteuer verzichten – und nur die Arbeit von Robotern besteuern“ könnte. Leider gibt es keine Aussagen, wie der oberste Postbeamte die Arbeitsanteile bei MRK-Projekten auseinanderdividiert sehen will.

Das Ende der 1970er-Jahre von Arbeitsminister Ehrenberg infolge der fortschreitenden Mechanisierung und Automatisierung erwartete Arbeitslosenheer in Deutschland ist ausgeblieben. Zählte man 1980 im früheren Bundesgebiet 27,42 Mio Beschäftigte, so weist die Statistik für Gesamtdeutschland im vergangenen Jahr etwa 43,6 Mio aus. Die Kehrseite der Medaille will ich natürlich nicht verschweigen: 1980 waren im früheren Bundesgebiet 888.900 Menschen ohne Arbeit, im Gesamtdeutschland des Jahres 2016 knapp 2,7 Mio. Diesen Anstieg kann man allerdings nicht ernsthaft ausschließlich der industriellen Automatisierung und der Robotik anlasten.

„Die deutsche Volkswirtschaft leidet unter einem anderen Strukturproblem: an einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, dem ein Überschuss an unqualifizierter Arbeitskraft gegenübersteht. Dieser entzieht sich jeder produktiven Verwendung“, schreibt der Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser in seinem Gastartikel ‚Die wahren Wurzeln der Arbeitslosigkeit‘ 2008 für die Zeit. Und weiter: „Mehr als zwei Drittel der Erwerbstätigen üben heute qualifizierte bis hochqualifizierte Tätigkeiten aus, vom Facharbeiter bis zum Spitzenmanager. Sie sind unbestritten wettbewerbsfähig. Die Arbeit der anderen gut 30 Prozent wird hingegen kaum noch nachgefragt. Ein Vergleich der qualifikationsspezifischen Arbeitslosenquoten macht dies deutlich. In den vergangenen drei Jahrzehnten lag die Arbeitslosenquote der Hoch- oder Fachschüler in den alten Ländern bei 3,3 Prozent, die der Kräfte ohne Berufsabschluss aber blieb bei 19,8 Prozent.“ Genau zu diesen Kräften gehören nach Meinung vieler Demografen und Soziologen weite Teile der sogenannten Null-Bock- und der Chips-Generation, ebenso der Generationen Y und Z. Eine Gemengelage von Menschen, die aus den verschiedensten Gründen Leistung verweigern, Menschen mit ungenügend entwickelter sozialer und emotionaler Kompetenz, aber leider auch immer mehr sozial Schwache und Menschen mit Migrationshintergrund.

Bill Gates hat zumindest sehr kluge Ideen, wie die von ihm befürwortete Robotersteuer verwendet werden soll: für die finanzielle Besserstellung von sozialen und pädagogischen Tätigkeiten, die sich nur schwer oder gar nicht automatisieren lassen, für mehr Jobs in Kitas und Kindergärten, in Krankenhäusern und Seniorenheimen, für mehr Lehrer und Polizisten. So notwendig dies alles ist und so sehr man sich solches wünschen mag – eine Robotersteuer in Deutschland zu etablieren, wird nicht leicht. Die Vermutung liegt nahe, dass Unternehmen, bevor sie hier diese Steuer zahlen, eher ihre Produktion ins Ausland verlegen. Damit gehen nicht nur die erhofften steuerlichen (Mehr)einnahmen verloren, sondern auch Arbeitsplätze in Größenordnungen. Vom Know-how ganz zu schweigen. Der Hightech-Standort Deutschland würde sich einfach auflösen. Und was bleibt? Eine hochpreisige Manufaktur-Kultur. Kann’s das sein?

Lind-PR
robotik-produktion.de

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