„Hochdynamisch und elegant“

Interview mit Uwe Simon, Simon Modellierungen

„Hochdynamisch und elegant“

Was ist eigentlich mit dem Begriff Green Automation in Motion gemeint und was hat er mit der Robotik zu tun? Das Fachmagazin ROBOTIK UND PRODUKTION hat Uwe Simon, Geschäftsführer des Unternehmens Simon Modellierungen, um Aufklärung gebeten.

Uwe Simon ist überzeugt: Bei der Bahnplanung lässt sich einiges von der Natur abschauen. (Bild: Simon Modellierungen)

Uwe Simon ist überzeugt: Bei der Bahnplanung lässt sich einiges von der Natur abschauen. (Bild: Simon Modellierungen)

ROBOTIK: Herr Simon, können Sie erklären, wofür der Begriff Green Automation in Motion steht?

Uwe Simon: Dieser Begriff hat durchaus eine Zweideutigkeit. In erster Linie beschreibt er eine Automatisierung mit elegantem Bewegungsdesign, wodurch Energieeinsparungen im mittleren zweistelligen Prozentbereich zu erreichen sind. In zweiter Linie besagt er, dass eine grüne, weil ressourcensparende Automatisierung generell langsam in Bewegung kommt.

ROBOTIK: Was verstehen Sie unter elegantem Bewegungsdesign?

Simon: Maschinen und Roboter müsssen für die Massen, die sie bewegen, mit der nötigen Energie versorgt werden. Wenn wir uns hier die Natur zum Vorbild nehmen, stoßen wir auf sehr effiziente Größen- und Massenverhältnisse. Z.B beim Menschen – wir entwickeln automatisch für eine gewisse Tätigkeit den günstigsten Bewegungsablauf, und suchen uns abhängig von der Bewegung gleichzeitig einen geschickten Standpunkt, z.B. um ein Möbelstück auf einen LKW zu laden. Genau dieses Verhalten kann man natürlich auch einem Industrieroboter abverlangen. Bei leichten Objekten kommt es vor allem auf die eigene bewegte Masse an, wieviel Energie man braucht. Industrieroboter mit einem Eigengewicht bis zu einer Tonne haben aber durchaus ein paar hundert Kilogramm schwere Massen zu bewegen. Dann kommt es sehr auf das Zusammenspiel der bewegten eigenen Massen und der Last an. Als Mensch wählt man hier automatisch einen energiesparenden Bewegungsablauf.

ROBOTIK: Das heißt Sie versuchen, die Natur und den Menschen nachzuahmen?

Simon: Ja, aber natürlich nicht eins zu eins, sondern wir übernehmen nur die gleichen Prinzipien. Man hat lange geglaubt, dass man mit möglichst weichen Bewegungen nicht so viel Energie verbraucht, das ist aber nur zum Teil richtig: In erster Linie benötigten Bewegungen mit möglichst konstanten Geschwindigkeiten über längere Strecken weniger Energie. Das folgt schon allein aus der einfachen Formel E = 1/2 m v², welche ja besagt, dass der Energiebedarf mit der Geschwindigkeit quadratisch ansteigt. Hinzu kommt, dass Reibungskräfte mit höheren Geschwindigkeiten auch ansteigen und einen höheren Energiebedarf verursachen. Genau hier setzt unser Konzept Green Automation in Motion an. Wir betrachten dabei eine Maschine von der Mechanik über den meist elektrischen Antrieb bis zur Steckdose, also das gesamte mechatronische Modell. Dann sehen wir uns die benötigten Bewegungen an und nutzen alle Freiheitsgrade, um sie energieschonender zu gestalten. Als Basis nehmen wir eine möglichst einfache mathematische Funktionenklasse, sogenannte geglättete lineare Splines, bei welcher uns eine kaskadierte Anpassung erlaubt, gleichzeitig sowohl die Maximalgeschwindigkeiten als auch die Maximalbeschleunigungen automatisch zu deckeln. Es ist ein bisschen wie bei einem asiatischen Kampfsportler, der sich hochdynamisch und elegant bewegt: Das geht nur, indem man all seine Geschwindigkeiten im Zaum hält und auch mit den Beschleunigungen haushaltet.

ROBOTIK: Wie bewerkstelligen Sie das bei den vielen Freiheitsgraden, die eine Maschine oder ein Roboter bietet, da sie ja fast beliebige Dynamiken fahren können?

Simon: Genau da setzen wir an und vereinfachen rigoros unser Modell. Zuallererst beschreiben wir die Bahn oder die Bewegungen der beteiligten Achsen geometrisch, das heißt wir setzen die Achswinkel und -positionen oder Bahnkoordinaten in Bezug zum Bahnparameter, der die Bahnlänge beschreibt, oder bei Kurvenscheibenmaschinen zur Leitachsposition. Dadurch reduziert sich die gesamte Dynamik nur auf das Verfahren dieses einen Bahnparameters oder der Leitachse, welche in vielen Fällen ein einfaches Rampenprofil mit hauptsächlich konstanter Geschwindigkeit abfährt. Alle Achsbewegungen bleiben dabei vollständig koordiniert und durch die geschickte Wahl der Beziehung zwischen Einzelachsbewegung und Bahnparameter oder Leitachsposition ist die gesamte Bewegung letztendlich energiesparend.

ROBOTIK: Sie modellieren dabei die Maschine oder den Roboter mechatronisch. Wie stellen Sie sicher, dass diese Modelle mit der Realität übereinstimmen?

Simon: Um unsere Modelle mit der Wirklichkeit abzugleichen, betrachten wir die Strom- und Drehzahlverläufe der beteiligten Motoren und Regler. Damit lassen sich die unbekannten Modellparameter trimmen, um eine möglichst große Übereinstimmung zwischen Modell und Realität zu erhalten. Zum Einsatz kommt hier vor allem die Software Servosoft der kanadischen Firma ControlEng, mit welcher man den mechatronischen Antriebsstrang gut abbilden kann. Wir haben unser Verfahren zur energiesparenden Bewegung patentieren lassen und bieten dieses einschließlich der zugehörigen Software-Tools Herstellern von PLM-Software und Motion-Control-Steuerungen an. Auf diesem Weg wollen wir die Idee des energiesparenden Bewegens möglichst weit streuen. Außerdem realisieren wir unser Verfahren gerade innerhalb des Servosoft Optimizers, um schon beim Auslegen des Antriebsstrangs entsprechende Möglichkeiten zur Energieeinsparung zur Verfügung zu haben.

ROBOTIK: Vielen Dank für das Gespräch.

Simon Modellierungen

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: Zimmer Group
Bild: Zimmer Group
Weniger Kosten durch Zeitersparnis

Weniger Kosten durch Zeitersparnis

Wenn es um die Produktion von Radialwellen-Dichtungsringen geht, ist eine intelligente Greiflösung unerlässlich, denn der Greifer muss Dichtungsringe mit verschiedenen Maßen flexibel handhaben. Der Hersteller Kaco setzt hierbei auf einen IO-Link-Greifer von Zimmer, der letztendlich die Produktion effizienter und schneller macht.

Bild: Robotextile GmbH
Bild: Robotextile GmbH
Automatisierung von biegeschlaffen Werkstücken

Automatisierung von biegeschlaffen Werkstücken

Bei der Handhabung biegeschlaffer Werkstücke treten am Produkt Verformungen auf, die die Automatisierung seit Jahrzehnten vor ein Problem stellen. Eine weitere Herausforderung, die das prozesssichere Greifen von Stoffen bisher nahezu unmöglich macht, ist das Vereinzeln von Stofflagen voneinander. So findet die Maschinenbestückung und -entnahme in der Textilindustrie meist manuell durch eine Person statt. Diese nicht wertschöpfenden Tätigkeiten und Blindprozesse können nun durch die Greiferlösungen von Robotextile automatisiert werden.