Kaffee vom Roboter

Serviceroboter in Zeiten von Covid-19

Kaffee vom Roboter

Die Covid-19-Pandemie hat die Entwicklung der Servicerobotik vorangetrieben. Kollaborative Kompaktroboter stehen nun immer mehr im Fokus von Medizin, Bildung und Unterhaltung. Die neue Prognose lautet: Im Zeitraum von 2020 bis 2026 wird der Markt für Servicerobotik jährlich um fast 22 Prozent wachsen. ROBOTIK UND PRODUKTION sprach mit Pavel Parmon, Hauptingeneur für das Rozum Café Project bei Rozum Robotics, über die Besonderheiten einer solchen Serviceroboterlösung, dem Barista-Roboter.

Innerhalb des Rozum Café Projects agiert ein Pulse-Roboter von Rozum Robotics und empfängt Bestellungen, kocht Kaffee und serviert diesen anschließend. (Bild: Rozum Robotics LLC)

Innerhalb des Rozum Café Projects agiert ein Pulse-Roboter von Rozum Robotics und empfängt Bestellungen, kocht Kaffee und serviert diesen anschließend. (Bild: Rozum Robotics LLC)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Herr Parmon, was genau macht der Barista-Roboter und was bedeutet kollaborativ in diesem Fall?

Pavel Parmon: Für das Rozum Café Project nutzen wir unseren selbst entwickelten Pulse-Roboter. Das ist ein Sechsachs-Roboterarm, der nach dem Prinzip eines menschlichen Armes konstruiert wurde, aber im Gegensatz zum Menschen vier bewegliche Gelenke hat. In diesen Gelenken befinden sich die Servomotoren, die die Beweglichkeit und Präzision der Achsen gewährleisten. Der Greifer des Roboters wurde per 3D-Drucker gedruckt. Der Barista-Roboter ist in der Mitte des Coffeeshops installiert. Wir haben die Platzierung des Roboters und der Kaffeeausrüstung so berechnet, dass die Zubereitung eines Getränks so wenig Zeit wie möglich in Anspruch nimmt und die Fläche des Cafés so klein wie möglich ist. Das Konzept eines automatisierten Coffeeshops setzt die Installation an Orten mit hohem Personenaufkommen voraus, an denen aufgrund des geringen Platzbedarfs oder der fehlenden Verbindung zur Wasserversorgung kein Standardcafé gebaut werden kann, z.B. auf Flughäfen oder in Einkaufszentren. Der Roboter selbst lässt sich leicht und ohne Programmierkenntnisse vom Besitzer des Cafès oder den angestellten Mitarbeitern bedienen. Die Besucher selbst interagieren nicht direkt mit dem Roboter. Sie geben nur ihre Kaffeebestellung ab. Da es sich bei den Mitarbeitern des Cafés nicht um für den Umgang mit Robotern geschulte Mitarbeiter oder Programmierer handelt, ist die nötige Sicherheit ein zentrales Thema. Denn sie müssen täglich dafür sorgen, dass ausreichend Kaffeebohnen und Milch vorhanden sind sowie dass Kaffeemaschinen und Abwassertanks gereinigt werden. Der Barista-Roboter erfüllt die ISO-Kollaborationsstandards, inklusive Einschränkungen in Bezug auf Geschwindigkeit, Mindestabstand und Gewicht. Im Rahmen des Rozum Cafés interagieren täglich bis zu 350 Besucher mit dem Roboter, der Bestellungen empfängt und Kaffee kocht.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wie kommen die Informationen über die Bestellung vom Terminal zum Roboter? Wie kommuniziert der Roboter mit der Kaffeeausrüstung?

Parmon: Nach der Auswahl des Getränks startet das von uns geschriebene Programm die entsprechende Trajektorie auf dem Roboter aus der Liste der vorab geschriebenen Programme. Derzeit haben wir Trajektorien für sieben unterschiedliche Getränke. Zu Beginn jeder Bestellung wählt der Roboter manuell eine Tasse der gewünschten Größe aus dem Ausgabesystem aus und stellt sie in den Arbeitsbereich der Kaffeemaschine. Der Roboter greift den Stampfer und bringt diesen zur Mahlmaschine. Je nach ausgewähltem Getränk wird automatisch die richtige Menge frisch gemahlenen Kaffees in den Stampfer geladen. Der Roboter bringt den Stampfer zur Presse und formt die Kaffeetablette, dann setzt er den Stampfer in die Kaffeemaschine. Dieser Teil der Trajektorie ist für alle Getränke gleich. Nun greift der Roboter nach der Espressotasse und liefert sie an den Kunden. Wenn der Besucher eine Latte oder einen Cappuccino mit Sirup bestellt hat, wird zu dem Programm des Roboters noch die Arbeit mit der Cappuccino-Maschine und dem Sirupspender hinzugefügt. Auf der WMF-Maschine wählt der Roboter manuell die gewünschte Milchvariante auf dem Touchscreen aus. Die Synchronarbeit des Baristas mit dem Gerät erfolgt über eine SPS. Das Programm schaltet bestimmte Knoten zur richtigen Zeit synchron mit dem Robotersteuerungsskript ein. Insgesamt braucht der Roboter 2min und 40s, um das größte und komplexeste Getränk herzustellen.

„Insgesamt braucht der Barista-Roboter 2min und 40s, um das größte und komplexeste Getränk herzustellen.“ Pavel Parmon, Rozum Robotics (Bild: Rozum Robotics LLC)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Sind alle Geräte an die Steuerung des Roboters angeschlossen? Was ist das Gehirn des Systems?

Parmon:
Das System enthält mehrere Informationsverarbeitungszentren. Es gibt sozusagen einen zentralen Computer, der für die Bestellung und die Auswahl des richtigen Programms für den Roboter und die Kaffeemaschinen verantwortlich ist. Es gibt eine Steuerbox, die den Barista-Roboter steuert. Und es gibt die SPS, die die ganze Kaffeeausrüstung steuert.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Kann der Roboter ferngesteuert werden? Sendet das System eine Nachricht an den Cafébesitzer, wenn eine Zutat bald aufgebraucht sein wird?

Parmon: Der Roboter kann ferngesteuert werden, wenn er an einen Computer angeschlossen ist. Bei Arbeitsfehlern können die meisten Probleme online gelöst werden. Der Besitzer des Cafés kontaktiert unseren Support und wir geben entweder schrittweise Anweisungen oder stellen eine Remote-Verbindung zum Managementsystem her. Da der Roboter eine Genauigkeit und Wiederholbarkeit von Bewegungen bis zu 0,1mm garantiert, ist es möglich, die Qualität des Getränks während der gesamten Schicht aufrechtzuerhalten ohne Computer-Vision zu nutzen. Wir haben das Rozum Café so konstruiert, dass täglich bis zu 350 Besucher bedient werden können. Für eine so große Anzahl von Bestellungen reicht es aus, alle Zutaten einmal am Tag zu laden. Aber wenn z.B. die Milch ausgeht, werden die Milchgetränke blockiert und der Besitzer oder der Mitarbeiter erhält eine Benachrichtigung. Sind alle Wasserflaschen leer, werden alle Einheiten, die Wasser benötigen, automatisch ausgeschaltet und das Café geht in den Schlafmodus.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Welche System-Upgrades haben Sie für die Zukunft geplant?

Parmon: Wir verbessern ständig etwas an Hard- und Software. Die erste Version des Barista-Roboters hatte z.B. keine Cappuccinomaschine. Einige Änderungen sollen den Geschmack des Kaffees verbessern, andere sind erforderlich, um das Menü zu erweitern und lokale Besonderheiten der Kundenwünsche zu berücksichtigen. In einigen Ländern wird Filterkaffee bevorzugt, in anderen türkischer oder Eiskaffee. Für all das muss man zusätzliche Geräte installieren, die Platzierung aller Maschinen im Arbeitsbereich des Roboters auf eine neue Art und Weise überdenken und die Trajektorien neu schreiben. Die Anpassung kann im Durchschnitt ein bis drei Monate dauern, abhängig von der Komplexität der gewünschten Änderungen und deren Auswirkungen auf das gesamte System.

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