Nichts bleibt, wie es war

Nichts bleibt, wie es war

Ein Gespenst geht um in Deutschland: das Gespenst des Fachkräftemangels. Es zeigt sich seit mehr als 30 Jahren in nahezu jeder Branche. Mindestens ebenso lange sind die Ministerien für Arbeit, Bildung, Wirtschaft und Finanzen im Bund und in den Ländern nicht in der Lage, dieses Gespenstes Herr zu werden. Das jedoch könnte die aktuell regierende Ampelkoalition in Berlin tatsächlich bewerkstelligen.

Michael Lind schreibt seit 30 Jahren für und über die nationale und internationale Roboter- und Automatisierungsbranche. Er war knapp zwei Jahrzehnte lang Chefredakteur (später auch Herausgeber) einer Zeitschrift zu diesen Themen. (Bild: Michael Lind)

Warum eigentlich? Diese Frage ist absolut berechtigt. Im Gegensatz zu den letzten 30 Jahren sind die Vorzeichen für eine grundsätzliche Wende am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt so ungünstig wie nie. Deutschland lebt immer noch in der Corona-Pandemie mit den bekannten Auswirkungen. Der Angriffskrieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin gegen die Ukraine verändert die bislang geläufige Einkaufspolitik für fossile Energieträger, Roh- und Grundstoffe, für Nahrungsmittel etc. Die Lebenshaltungskosten steigen schneller als Löhne und Gehälter.

Nicht zuletzt ist das Beharrungsvermögen des Menschen unglaublich groß; etwa bei der Berufswahl. In der Hitliste der beliebtesten Studienfächer führt im Jahr 2020/21 immer noch Betriebswirtschaftslehre. Informatik ist inzwischen auf Rang 2 geklettert, Maschinenbau hingegen auf Rang 6 abgefallen, dazwischen: Rechtswissenschaft und (Allgemein)medizin. Psychologie trendet auf Platz 5. Wirtschaftswissenschaften steigt auf Platz 7, gefolgt von dem großen Gebiet Soziales. Elektrotechnik/Elektronik rangiert nur noch unter ferner liefen.

Ein kaum verändertes Bild bietet sich auch bei den aktuellen Top10 der Ausbildungsberufe: Kaufleute fürs Büromanagement, Verkäufer:innen, Kfz-Mechatroniker:innen, Einzelhandelskaufleute, Medizinische Fachangestellte, Fachinformatiker, Industriekaufleute, Elektroniker, Anlagenmechaniker für Heizung, Klima, Lüftung, und schließlich Dentaltechniker. Erfreulich dabei ist, dass sich Mechatroniker, Sozialberufe und Informatiker langsam aber sicher nach vorne robben.

Wer einen wirklich krisenfesten und zukunftssicheren Job sucht, der sollte sich die Bilanz der Versäumnisse aus den letzten 30 Regierungsjahren im Weiter-so-Modus anschauen. (Etwaige Wertungen könnten durchaus der Stimmabgabe für Deutschland beim jüngsten Eurovision Song Contest entsprechen):

  • • Bildungspolitik: 0 points
  • • Digitalisierung: 0 points
  • • Familien-/Sozialpolitik: 1 point
  • • Gesundheitswesen: 0 points
  • • Infrastruktur: 1 point
  • • Innenpolitik: 0 points
  • • Klimapolitik: 0 points
  • • Land- und Forstwirtschaft: 0 points
  • • Verkehrswesen: 1 point
  • • Verteidigungspolitik: 0 points

Orchestriert wird dieses Desaster obendrein dadurch, dass die dazugehörigen Berufsbilder, Ausbildungs- und Studienpläne nicht entsprechend (weiter)entwickelt worden sind; ganz zu schweigen von Personalstrukturen und pekuniären Anreizen. Wesentlich mehr als bislang braucht Deutschland Lehrer, Erzieher, Kindergärtner, IT- und Software-Ingenieure für alle Bereiche inklusive künstlicher Intelligenz, Cybersecurity-Experten, Mediziner aller Fachschaften, Physiotherapeuten, Pflegepersonal, Pharmakologen, Biologen, Lebensmitteltechniker und -chemiker, Stadtplaner und -entwickler, (Landschafts)architekten, Umweltingenieure, Polizisten, Energetiker, Elektrontechniker/Elektroniker, Agraringenieure, Forstwirtschaftler, Schäfer, Biologen, Verkehrsentwickler, Soldaten und dergleichen mehr. Nicht zu vergessen: Handwerker jedweder Provenienz. (Man möge es mir verzeihen, dass ich der Einfachheit halber auf’s Gendern verzichtet habe.) Mit BWLern, Juristen und PsychologInnen kriegen wir bei den eben genannten brenndenden Themen keine Kehrtwende hin.

So schreit z.B. die erklärte Energiewende geradezu nach neuen Denkansätzen. Wobei – die Photovoltaik haben die einst weltweit federführenden deutschen Unternehmen komplett an chinesische ‚Partner‘ abgegeben. Nun wird man sich dieses Knowhow wieder aneignen müssen. Experten schätzen, dass allein die Photovoltaik in den Bereichen Entwicklung, Produktion, Beratung und Vertrieb sowie Installation und Service für bis zu 30.000 Beschäftigte Arbeit und Lohn bietet. Von einer Vorstellung müssen wir uns allerdings verabschieden: Felder, die 30 Jahre lang wider besseren Wissens nicht bestellt worden sind, werden nicht sofort Früchte tragen. Aber die Chance ist da.

Der Musiker Hannes Wader hat das wunderschöne Lied „Heute hier, morgen dort“ geschrieben, in dessen Refrain es heißt „Denn was neu ist wird alt, und was gestern noch galt, stimmt schon heut‘ oder morgen nicht mehr“. Die bundesdeutschen Regierungen unter den Ägiden von Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Angela Merkel hätten sich diese Aussage besser zu eigen machen sollen anstatt immer ein ‚weiter so‘ zu predigen.

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