Smarte Robotik bei Verpackungsmaschinenbauer Schubert

Vom Robot zum Cobot

Das Spektrum der bei Schubert verbauten Kinematiken ist breit. Schon früh setzte das Unternehmen allerdings auf Scara-Roboter. „So haben wir bereits in den 1980er-Jahren eine Pralinenpackstraße realisiert“, erinnert sich Schubert. Heute ist das Verhältnis bei Pick-Vorgängen in den Maschinen etwa 80 Prozent Scaras zu 20 Prozent Deltas. Als das Thema der kollaborativen Robotik immer mehr Beachtung in der Branche fand, stellte sich für Schubert – zumindest theoretisch – wieder einmal die Frage: Eine gängige Lösungen zukaufen oder selbst machen? „Viele Wettbewerber setzen z.B. marktübliche Leichtbauroboter auf einer siebten Achse ein. Das kann aber nicht unser Weg sein“, betont Schubert. „Denn wir verstehen uns längst als Roboterhersteller.“ Entsprechend fiel die Entscheidung nicht schwer. Als Ziel wurde ein kompletter Baukasten für Cobot-Lösungen definiert, der eine fünfachsige Scara-Kinematik, ein Vision-System, Zuführbänder, Formatteile und vieles mehr umfasst. Kernelement ist eine einfach zu konfigurierende Steuerung, mit der das Unternehmen dem steigenden Programmieraufwand sowie dem Mangel an Spezialisten begegnen will. Mithilfe von KI-Algorithmen und neuronalen Netzen soll sich der Cobot fast wie von selbst auf die zu handhabenden Produkte einstellen.

MRK oder Highspeed?

Ein Manko gängiger Cobots ist die Geschwindigkeit. Sie wird deutlich reduziert, damit der Roboter im direkten Umfeld des Menschen seinen Dienst verrichten kann. Verpackungsmaschinen gelten hingegen als Paradebeispiel für Highspeed-Anwendungen. Wie kam Schubert dann überhaupt auf die Idee mit dem Cobot? „Wir reduzieren den Cobot nicht auf die Kollaboration mit dem Werker“, erklärt Volker Haaf, der bei Schubert für das Cobot-Projekt verantwortlich ist. „Das wäre zu kurz gegriffen, denn aus unserer Sicht steckt viel mehr hinter dem Begriff.“ In der Tat werden die wenigsten Cobots heute ohne Schutzzaun und zur direkten Zusammenarbeit mit dem Menschen eingesetzt. „Das zentrale Merkmal für den Erfolg der Cobots ist ihre Einfachheit“, fährt Haaf fort. „Sie lassen sich schnell einrichten und an neue Aufgaben anpassen.“ Diese Eigenschaft sei in Zeiten von Losgröße 1 immer öfter die entscheidende und der Hauptaugenmerk beim Schubert-Cobot. Abseits davon soll er, wie in der Verpackungstechnik gefordert, sehr schnell sein. „Die Geschwindigkeit wird im Cobot-Markt bislang nicht adressiert“, so der Projektverantwortliche. „Nachdem wir dort unbedingt ein Alleinstellungsmerkmal besetzen wollten, mit dem wir uns auskennen, lagen Pick-Prozesse mit Scara ja quasi auf der Hand.“ In der Folge soll der Pick&Place-Cobot von Schubert zwar nicht kollaborativ, aber durchaus kooperativ oder koexistent mit dem Mitarbeiter zusammenarbeiten. Kommt ein Mensch in die Nähe, verringert er seine Geschwindigkeit oder stoppt komplett. „Er passt sich der jeweiligen Situation an“, bringt es Haaf auf den Punkt. Umgekehrt soll er sich unkompliziert an neue Situationen bzw. Aufgaben anpassen lassen. Im Zweifel von derjenigen Person in der Produktion, die die jeweilige Aufgabe bisher selbst erledigt hat. „Das ist nur mit einem sehenden System möglich“, unterstreicht Haaf. „Deshalb ist die Kombination von Robotik und Vision ohne aufwändige Schnittstellen eine zentrale Voraussetzung.“

Der Griff in den Haufen

Die großen Endanwender der Verpackungsbranche interessieren sich durchaus für Cobots. „Ein marktgängiger Leichtbauroboter stellt für uns aber keinen Wettbewerb dar“, versichert Ralf Schubert. „Wir machen heute auf zwei Meter Maschinenlänge 800 Picks pro Minute – das ist mit gängigen Cobots undenkbar.“ Dennoch muss sich das Unternehmen dem Trend zu immer öfter wechselnden, immer kleineren Batches stellen. Deshalb schreibt Schubert dem Cobot die Rolle eines Technologieträgers zu. „Obwohl unsere Maschinen heute schon unglaublich flexibel sind, wird der Cobot für uns zu einem Schlüsselelement“, sagt der Geschäftsführer. Schließlich beschäftige man sich dabei nicht nur mit der neuesten Technik, sondern auch mit neuartigen Prozessen und Geschäftsmodellen, die künftig in der Branche mehr Gewicht erhalten. Ziel ist es, dass der Cobot durch die Kombination von KI und Vision ein dreidimensionales Bild in Echtzeit auswerten kann. Das würde ihn in die Lage versetzen, Produkte in Hochgeschwindigkeit zu vereinzeln oder zuzuführen – ohne dass diese sortiert angeliefert werden müssen. Sozusagen der Highspeed-Griff in die Kiste. Nur ohne Kiste. Denn bei Geschwindigkeiten, wie sie die Verpackungsbranche fordert, würden allein die erhöhten Ränder einer Kiste den Prozess zu langsam machen. Schubert spezialisiert den Cobot also eher auf einen „Griff in den Haufen“. Ursprünglicher Launch-Termin für diese Pick&Place-Lösung wäre die Interpack in diesem Jahr gewesen. Durch die Covid19-Pandemie verschiebt sich diese Premiere nun um fast ein Jahr. Ralf Schubert ringt der Situation aber auch etwas Positives ab: „Jetzt haben wir mehr Zeit bis zur Premiere und können den Cobot noch besser machen.“ Mittelfristig solle die Cobot-Familie zudem wachsen. „Wir haben viele Ideen und sehen großes Potenzial für weitere solche Lösungen.“

„Wir reduzieren den Cobot nicht auf die Kollaboration mit dem Werker. Das wäre zu kurz gegriffen.“ Volker Haaf, Schubert (Bild: Gerhard Schubert GmbH)

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www.schubert.group/de

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