Interview mit Markus Külken, Director Business Development – Self Driving Technology & Robotics bei SSI Schäfer

Interview mit Markus Külken, Director Business Development – Self Driving Technology & Robotics
bei SSI Schäfer

„Der Wandel ist in vollem Gange“

Robotertechnik kommt immer stärker in Intralogistiklösungen zum Einsatz. Wie man sich als Anbieter diesem Trend stellt, die Möglichkeiten der steigenden Digitalisierung nutzt und welche Rolle Cobots im Materialfluss bereits spielen, darüber hat sich ROBOTIK UND PRODUKTION mit Markus Külken, Director Business Development für fahrerlose Transportsysteme (FTS) und Robotik bei SSI Schäfer, unterhalten.

Markus Külken ist für den Bereich Business Development FTS und Robotik bei SSI Schäfer verantwortlich. (Bild: SSI Schäfer Fritz Schäfer GmbH)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Herr Külken, SSI Schäfer ist in der Intralogistik seit den 1940er-Jahren eine feste Größe. Seit wann sind auch Robotik und FTS ein Thema für das Unternehmen?

Markus Külken: Beide Technologien haben im letzten Jahrzehnt sukzessive Einzug in unser Portfolio gehalten und bilden in unserem Selbstverständnis mittlerweile essenzielle Komponenten für den Materialfluss. Dort, wo unsere Automatisierungslösungen früher aufhörten, können wir mit der Robotik heute weitere wichtige Schritte gehen wie z.B. Waren manipulieren, greifen, sortieren, palettieren oder auch ganz flexibel transportieren. Im Ergebnis ist SSI Schäfer nicht mehr nur in der Intralogistik unterwegs, sondern auch in den angrenzenden Bereichen des Materialflusses – etwa in der Richtung Laderampe oder in die Produktion. Unser Zielmarkt wird dadurch immer dynamischer und übergreifender.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wird der Fertigungsbereich also immer wichtiger für Sie?

Külken:
Durchaus. Denn der moderne Materialfluss entwickelt sich nicht nur technologisch weiter, sondern auch organisatorisch. Lange Zeit hat man sehr stark in Silos gedacht: Es gab die Logistik. Es gab die Produktion. Und irgendwo dazwischen gab es einen Übergabeplatz. Diese einst klar getrennten Verantwortungsbereiche und Prozesse greifen heute oft stark ineinander. Dem muss sich auch die Logistik anpassen – jetzt und in Zukunft noch viel mehr. Denn Logistik und Produktion werden immer weiter verschmelzen.

„Wir wollen dem Kunden ein Rundum-Sorglos-Paket für die Logistik bieten, einschließlich Roboter- und FTS-Lösungen.“ Markus Külken, SSI Schäfer

ROBOTIK UND PRODUKTION: Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei dieser Fusion?

Külken: Eine Bedeutende, deswegen legen wir großen Wert darauf, die nötige IT-Expertise im eigenen Haus vorzuhalten. Weil wir uns nicht nur als Lösungsanbieter, sondern auch als Integrator positionieren, binden wir unsere Softwareprodukte nahtlos in die IT-Landschaft unserer Kunden ein. Das gleiche gilt auch für die Tools unserer Partner. Nur so können wir unsere Gesamtlösungen den modernen Ansprüchen entsprechend realisieren. Und in diesen finden sich eben auch immer mehr Roboter und fahrerlose Transportsysteme.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Werden Sie dadurch zur verlängerten Werkbank in Richtung Logistik?

Külken:
Nun, wir wollen dem Kunden zumindest ein Rundum-Sorglos-Paket für die Logistik bieten, einschließlich Roboter- und FTS-Lösungen. Das gilt nicht nur für Installation und Inbetriebnahme, sondern auch für den Zeitraum nach der Realisierung. Sollte es irgendwo Probleme geben, dann haben wir einen zentralen Ansprechpartner, der weiterhilft.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Inwieweit bieten Sie auch die Robotiklösungen komplett aus einer Hand an?

Külken:
Auf der Software-Seite haben wir umfangreiches Knowhow aufgebaut – bis in die Robotersteuerung oder in die 3D-Vision-Systeme hinein. Dabei arbeiten wir Hand in Hand mit Partnern, die die entsprechende Hardware beisteuern – bei Roboterzellen z.B. die Firmen Ro-Ber oder FPT Robotik.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Welche Freiheit hat der Kunde bei der Wahl der Roboter?

Külken:
Wir versuchen, individuellen Wünschen möglichst weit Rechnung zu tragen. Gleichzeitig wollen wir aus der technischen Perspektive natürlich robuste und bewährte Robotiklösungen anbieten und integrieren, deshalb denken wir sehr modular. Jeder Kunde bekommt seine Roboterzelle in der Ausführung und Größe, die er braucht – aber eben zusammengestellt aus unserem Baukasten. So profitieren unsere Kunden von bewährten Standardkomponenten, die zu einer individuellen Robotiklösung zusammengestellt werden.

„Automatisierung ist längst nicht mehr nur für die ganz Großen. Auch beim Mittelstand und kleineren Unternehmen wachsen die Forderungen nach automatisierten Logistikprozessen.“ Markus Külken, SSI Schäfer

ROBOTIK UND PRODUKTION: Aber dennoch halten Sie ein breites Angebot an verschiedenen Robotertypen und -fabrikaten vor?

Külken:
Ja, das ist so. Gleiches gilt auch für die FTS-Seite. Auch hier können wir durch Partner wie DS Automotion sowohl die Technologie als auch die Schnittstellenintegration im Haus komplett abbilden – exakt nach den aktuellen Markttrends oder den Anforderungen des jeweiligen Kunden.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Und werden solche Robotiklösungen schon flächendeckend eingesetzt?

Külken:
Der Wandel zu mehr Robotik in der Intralogistik ist in vollem Gange. Dabei werden wir als Anbieter stark von den Anwendern getrieben. Aufgrund der Weiterentwicklung der Technologien in diesen Bereichen steht anspruchsvollen FTS-Projekten immer weniger Initialaufwand gegenüber. Auf Seite der Roboter ist es ähnlich: Der Anwender muss nicht mehr zwingend einen sechsstelligen Betrag für eine Pallettierzelle ausgeben.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Je mehr Marktsegmente Sie auf diese Weise bedienen wollen, umso mehr Applikations- und Branchen-Knowhow müssen Sie doch bereithalten.

Külken:
Richtig – und auch hier sind wir aus der Historie und durch die enge Zusammenarbeit mit unseren Partnern sehr gut positioniert. Hinzu kommt, dass wir uns in Vertrieb und Applikationsentwicklung nach Marktsektoren organisieren – das heißt, unsere Experten sprechen die Sprache unserer Kunden, kennen die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Branche und entwickeln individuell angepasste Lösungen.

Im Rahmen seiner Logistiklösungen bietet SSI-Schäfer ein breites Portfolio an fahrerlosen Transportsystemen an. (Bild: ©urfinguss/istockphoto.com / SSI Schäfer Fritz Schäfer GmbH)

Im Rahmen seiner Logistiklösungen bietet SSI-Schäfer ein breites Portfolio an fahrerlosen Transportsystemen an. (Bild: ©urfinguss/istockphoto.com / SSI Schäfer Fritz Schäfer GmbH)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Verändert sich auch ihr Kundenklientel?

Külken:
Sicherlich müssen wir einem Trend folgen, der sich schon seit Jahren fortsetzt. Automatisierung ist längst nicht mehr nur für die ganz Großen. Auch beim Mittelstand und kleineren Unternehmen wachsen die Forderungen nach automatisierten Logistikprozessen. Auf diesen Trend haben wir heute bereits die passenden Antworten – inklusive Roboterlösungen und FTS.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wie sieht es mit den sinkenden Losgrößen aus?

Külken:
Wir sind zwar noch nicht bei Stückzahl eins, doch der Trend zu immer kleineren Losen macht sich eindeutig bemerkbar. Und je schneller die Produktwechsel, desto zuverlässiger muss der Materialfluss sein. Sobald er nur leicht ins Stocken gerät, sind die Probleme groß. Deshalb werden z.B. klassische Routenzüge zunehmend von flexibleren Einheiten abgelöst, die sich automatisiert und autonom zwischen der Fertigung und den Lagersystemen bewegen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: In wie weit gelingt es, die steigende Komplexität der Technik im Sinne von Easy-to-Use-Ansätzen zu kaschieren?

Külken:
Dort wo man im FTS- oder Robotikbereich schnell auf Veränderungen reagieren muss – etwa bei der Routenplanung oder Palettengröße – legen wir großen Wert darauf, dass der Kunde Anpassungen selbst durchführen kann. Das ist aber gar nicht immer so leicht. Denn je nachdem, muss man noch tief in die Systeme eingreifen. Zwar werben erste Anbieter damit, dass sich ihre FTS-Flotten schnell konfigurieren und einfach in Betrieb nehmen lassen, sobald die Prozessabläufe aber doch etwas komplizierter werden – was in der Praxis meist der Fall ist – geht diese Rechnung nicht mehr auf. Dass sich solche Logistikprozesse in Art einer Smartphone-App editieren lassen, sehen wir noch nicht. Aber so weit es das Umfeld zulässt, helfen wir unseren Kunden natürlich, sich selbst zu helfen – z.B. mit entsprechenden Inbetriebnahme- und Wartungs-Tools.

Roboterzellen – etwa zum Palettieren – halten immer stärker Einzug in die Intralogistik. (Bild: SSI Schäfer Fritz Schäfer GmbH)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Ist das Robotik-Knowhow bei SSI Schäfer ein Punkt, um sich von Marktbegleitern abzuheben?

Külken:
Egal ob Kinematik oder autonomes Fahrzeug, die Robotiklösungen in unserem Portfolio tragen heute unserem USP als Gesamtintegrator Rechnung. Wir bieten eben nicht nur einen begrenzten Umfang an Logistik- und Materialflusslösungen an, sondern haben stets das exakt Passende für unsere Kunden im Programm. Entsprechend ist die Robotik ein wichtiger Teil unseres Angebots.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Gibt es zwischen FTS-Lösungen und klassischen Förderanlagen einen Wettbewerb im eigenen Haus?

Külken:
Anfangs gab es die Befürchtung, die beiden Ansätze könnten sich ein Stück weit kannibalisieren. Interessanterweise ist der Effekt aber ein ganz anderer: Nämlich der, dass beide Technologien sehr gut Hand in Hand gehen. Ein FTS bringt Vorteile mit, die ein klassisches Fördersystem nicht bieten kann – und umgekehrt. Das eine erlaubt hohe Flexibilität, das andere hohen Durchsatz. Aus deren Kombination entstehen dann in vielen Projekten einzigartige Vorteile. Entsprechend arbeiten die beiden Bereiche bei SSI Schäfer längst eng zusammen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Apropos neue Technologien: Welche Rolle spielen Cobots bei SSI Schäfer?

Külken:
In den Anlagen, in denen wir zu Hause sind, geht es um Roboteranwendungen mit möglichst hoher Performance. Um diese sicherzustellen, setzen wir heute noch überwiegend auf klassische Zellen und Schutzeinrichtungen. Cobots bilden also noch die Ausnahme. Aber es gibt schon einige Test- und Pilot-Applikationen. Auch solche, in denen wir mobile Einheiten mit Cobot-Kinematiken kombinieren, z.B. um Produktionsbereiche abseits der klassischen Übergabestationen von Paletten und KLTs logistisch anzubinden. Zudem gilt es auch immer öfter, Lager aktiv zu versorgen und Teile zu greifen. Hier wird das Thema Cobots natürlich sehr interessant. (mby)

www.ssi-schaefer.de

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: SMW-electronics GmbH
Bild: SMW-electronics GmbH
Kontaktlose Übertragung von Energie und Signalen durch induktive Koppelsysteme von SMW-Electronics

Kontaktlose Übertragung von Energie und Signalen durch induktive Koppelsysteme von SMW-Electronics

Eine wesentliche Rolle auf dem Weg zur digitalen Fabrik spielt smarte Konnektivität. Zur kontaktlosen Übertragung von Energie und Signalen für die Anbindung von Sensoren und Aktoren hat SMW-Electronics induktive Koppelsysteme entwickelt. In den unterschiedlichen Bauformen können sie nicht nur zusätzlichen Nutzen ausspielen, sondern ermöglichen auch ganz neuartige Anwendungen. Endlos rotierende Robotergreifer sind nur ein Beispiel.

Bild: DM-Drogerie Markt
Bild: DM-Drogerie Markt
Kommissionierung von Versandpaletten

Kommissionierung von Versandpaletten

Im Verteilzentrum der Drogeriekette DM in Wustermark bei Berlin sind insgesamt 19 Kuka-Roboter im Einsatz. Sie palettieren, depalettieren und positionieren die Waren vor, die dann vom Verteilzentrum aus ihren Weg in die DM-Filialen finden. Die automatisierten Intralogistiklösungen dort kommen von Swisslog. Das neuartige daran: Um alle Filialen flexibel und individuell mit Waren zu versorgen, kommt ein digitaler Zwilling der Filiale zum Einsatz.