Hohlraumkonservierung im Karosseriebau
Nach dem Lack ist vor dem Wachs
Die zuverlässige Hohlraumkonservierung in Karosserien und Anbauteilen bis in den hintersten Winkel trägt maßgeblich zur Langlebigkeit von Automobilen bei. Wo Platz knapp, Taktzeiten kurz und eventuell noch Lackieranlagen einzubinden sind, sind Wachsmaschinen mit Multidüsen eine kostengünstige und wartungsfreundliche Lösung. Sie arbeiten effizienter und ökonomischer als eine nach Leistung vergleichbare Robotikvariante.
Auf einer linearen Verfahrachse montiert fährt die Karosserie des Smart in die Anlage. Sicher fixiert stemmt eine pneumatische Hubeinrichtung den Torso einige Zentimeter in die Höhe. Die von IPR entwickelte und gebaute Wachsmaschine startet mit der schrittweisen Versiegelung der Teile, die im späteren Alltagsbetrieb besonders vor Korrosion geschützt sein sollen. Vollautomatisch gesteuert machen sich beidseits des Fahrzeugrohlings 42 lanzenförmige, mit Druckluft- und Wachszufuhrschläuchen versehene Injektionsdüsen an die Arbeit: Zug um Zug und mit einer Wiederholgenauigkeit von 100 Prozent tauchen diese mittels pneumatisch bewegter Antriebs- und Handling-Systeme einzeln oder in Gruppen zielsicher in 40 kleinere wie größere Setzpunkte ein, die als Zugang zu den jeweiligen Bearbeitungszonen dienen. Das nur wenige Sekunden anhaltende zischende Pressluftgeräusch signalisiert, dass ein Hohlraum gerade mit einer fein zerstäubten Wachsschicht benetzt wird. Je nach Größe, Geometrie und Zugänglichkeit der jeweiligen Karosseriebestandteile kommen mehrere Düsen mit unterschiedlichen Düsenmustern und Austrittsöffnungen mit Bohrungen zwischen 0,8 und 1mm zum Einsatz. Damit ist gewährleistet, dass der schützende Wachsnebel sämtliche Bereiche gleichmäßig erreicht und abdeckt. Schon aus ökonomischen Gründen gilt dabei die Regel: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.
Wachsmaschine statt Robotiklösung
IPR hat sich seit einigen Jahren u.a. auf die Hohlraumkonservierung von Fahrzeugen spezialisiert und entwickelt dafür Komponenten, Prozesse, Applikationstechnik und selbst Komplettanlagen. Mit den Heißflut-, Kaltflut-, Nebelapplikations- sowie Air-Mix-/Air-Less-Verfahren bietet der Hersteller ziel- und aufgabenbezogene Versiegelungskonzepte je nach Kundenwunsch. Bei der Daimler-Tochter Smart waren Platz, Taktzeiten und die Lackieranlage vorgegeben. Die Entscheidung für die Wachsmaschine fiel mit dem Wechsel auf die Smart-Baureihe BR453 im Jahr 2014: Die Zahl der Setzpunkte hatte sich mit der Handhabungs- und Düsentechnik, die sich je nach Aufgabe und Bedarf von Hand wechseln lässt, nahezu verdoppelt, bis dahin führten zwei Werker die Hohlraumkonservierung manuell aus. Inzwischen hatten sich mit Blick auf die Gesundheit der Mitarbeiter auch die Anforderungen an die Raumluft verändert: Eine Weiterführung der manuellen Hohlraumversiegelung hätte eine leistungsfähige und teure Umluft- sowie Filteranlage erforderlich gemacht. Was sprach für die Wachsmaschine und nicht für eine Robotiklösung? „Ein Roboter benötigt pro Setzpunkt etwa 7 bis 8s, er könnte somit in 58s maximal acht Setzpunkte ausführen“, erklärt Pascal Walker, Produktionsplaner bei Smart. „Bei 21 Positionen pro Seite wären also drei Roboter notwendig, um den Job in der vorgegebenen Zeit zu erledigen. Die Kosten einer Robotiklösung wie auch der Platzbedarf wären um ein Vielfaches höher gewesen.“ Bei der Wachsmaschine im Werk sind beidseits der Karosserie jeweils 21 Edelstahldüsen im Einsatz. Mit dem Ein- und Ausfahren der Karosse stehen 72s, für die reine Applikation 58s zur Verfügung. So versiegelt die Wachsanlage 50 Fahrzeuge pro Stunde, jeweils mit rund 800ml Wachsnebel.
Robuste Handhabungs- und Düsentechnik
Die in der Maschine eingesetzte Handhabungs- und Düsentechnik ist robust, unanfällig gegen Störungen und arbeitet im Werk seit mehr als einem Jahr ausfallfrei. Besonderes Kennzeichen ist die Wartungsfreundlichkeit: In aller Regel genügt eine einfache Düsenreinigung am Schichtende, ein kompletter Düsenwechsel ist nur alle sechs Monate erforderlich. Jede Düse verfügt über individuelle Vorgaben und lässt sich von der Steuerungsebene aus separat parametrieren. Bei Smart erfolgt die Ansteuerung via Profinet, über eine begleitende Prozessdatenanalyse werden sämtliche Daten gesammelt und zentral archiviert. IPR steht bei umfassenden Projekten nicht nur für die komplette Automatisierung einschließlich aller Antriebs-, Applikations- und Steuerungslösungen, sondern auch für Entwicklung, Beratung und Inbetriebnahme zur Verfügung. „Mit Blick auf die Stückzahlen, die voraussichtliche Laufzeit der Serie und die vorgegebenen Rahmenbedingungen war unsere Entscheidung für die vollautomatisierte Wachsanlage richtig“, so Walker. „Dafür sprechen die niedrigeren Kosten, das komfortable Wartungskonzept und die einfache Integrierbarkeit in die bestehende Anlage. Eine Investition, die sich unter den gegebenen Bedingungen innerhalb von zwei Jahren rechnen dürfte.“