Trendumfrage Robot Operating System (ROS)
ROS – das Android der Robotik?
In der aktuellen Trendumfrage hat ROBOTIK UND PRODUKTION Experten zum Thema Robot Operating System (ROS) befragt. Dabei ging es unter anderem um Vor- und Nachteile des Open-Source-Frameworks und darum, was passieren muss, damit ROS sich als Standard in der Industrie durchsetzt. Es antworteten Detlev Dahl, geschäftsführender Gesellschafter von Dahl Automation, Alexander Barth, Sales Manager Europe für Robotik bei Keba, und Dr. Manuel Schön, Product Management Controller bei Pilz.
Wie schätzen Sie ROS ein? Was sind die Vor- und Nachteile zu klassischen Industrieroboter-OS?
Dr. Manuel Schön, Pilz: Die Vorteile liegen klar auf der Hand: ROS ist Open Source und dahinter steckt eine Community, die Expertenwissen im Bereich Roboterprogrammierung bündelt. Jeder kann davon profitieren, denn die Community teilt ihre Erfolge und hilft sich gegenseitig bei der Lösung von Problemen. ROS-Pakete sind für die Robotersteuerung ideal, da diese Softwarepakete modular sind und teilweise für Hardware verschiedener Hersteller einsetzbar sind. So können Anwender den bisher eingesetzten Manipulator austauschen und den neuen Manipulator weiterhin mit den ROS-Paketen nutzen. Die Applikation an sich bleibt gleich. Eine Herausforderung von ROS liegt darin, dass die Pakete eine sehr unterschiedliche Qualität haben.
Alexander Barth, Keba: Ein weiterer Vorteil ist die Verwendung von C als Programmiersprache. Denn klassische Robotersysteme haben stets herstellerspezifische Programmiersprachen, die bei Einsatz erst erlernt werden müssen. Die Nachteile liegen derzeit noch im Bereich Echtzeit und Online-Programmierung. Das ist jedoch nur eine Frage der Zeit, bis die Community auch hier den proprietären Systemen das Wasser reichen kann.
Detlev Dahl, Dahl Automation: Mit ROS können Entwickler relativ einfach neue Funktionen in ihre Entwicklungen einbinden. Auf der anderen Seite erzeugt die vielfältige Arbeit an der Software leider auch eine höhere Fehleranfälligkeit, die dann bei der Einbindung eine größere eigene Entwicklungskapazität erfordert, um ROS-basierte Produkte marktfähig auszureifen. Dass ROS nicht tauglich für Industrie-CPUs ist, sehe ich erst mal nicht als wesentlichen Nachteil, zumal auch kleinere PCs unter bestimmten Voraussetzungen durchaus im industriellen Umfeld brauchbar sind.
Wird der Ansatz von ROS dem zunehmenden Stellenwert der Software in der Automation besser gerecht als klassische Programmiersysteme?
Dahl: Einerseits hängt die Leistungsfähigkeit und -qualität des robotischen Systems von seiner Kinematik und andererseits auch zunehmend von der selbstständigen Anpassungsfähigkeit an die Taktdynamik ab. Wenn der Roboter gefordert ist, Teile an variierenden Orten zu greifen, müssen z.B. Vision-Systeme einfach eingebunden werden können. ROS wird den genannten Voraussetzungen sehr gut gerecht; sowohl Kinematiken als auch Peripherieintegrationen lassen sich damit einfach steuern. Schlussendlich ist ROS meiner Ansicht nach stärker an der grundlegenden Zielorientierung der Robotik, nämlich schlicht Dinge von A nach B zu bewegen, angelehnt als die klassische Softwareprogrammierung.
Dr. Schön: Heute werden industrielle Applikationen überwiegend mit klassischen Programmiersystemen, z.B. den SPS-Sprachen nach IEC61131-3, erstellt. Die Programmierung bleibt damit in der Regel Steuerungs- und Roboterexperten vorbehalten. Bei ROS werden Programme dagegen in höheren Programmiersprachen wie Python geschrieben. Dadurch sind auch z.B. Softwareentwickler, Physiker und Chemiker dazu in der Lage, ROS-Pakete und Roboteranwendungen in ROS zu schreiben. Das eröffnet natürlich neue Möglichkeiten: Auch kleine und mittelständische Unternehmen ohne spezifisches Knowhow können so eigene Roboterapplikationen realisieren.
Barth: ROS ist grundsätzlich herstellerunabhängig und bietet Anwendern damit die Möglichkeit, entwickelte Funktionen und Applikationen von der Hardware getrennt zu betrachten. Das bringt Vorteile in vielen Bereichen der Entwicklung, Produktpflege sowie in der Beschaffung. Anwender, die den Open-Source-Ansatz von ROS richtig nutzen, müssen zahlreiche Basisfunktionen und Gerätetreiber nicht mehr selbst entwickeln, sondern können auf Fertiges zurückgreifen. Sie können sich daher wesentlich besser auf die eigentlichen Herausforderungen der jeweiligen Applikation konzentrieren und damit Entwicklungskosten und Durchlaufzeiten reduzieren. Die Herausforderung ist sicherlich dabei, die eigene Kernkompetenz und damit den Wettbewerbsvorsprung ausreichend zu schützen.