Kolumne von Michael Lind: Branchengeflüster

Kolumne von Michael Lind: Branchengeflüster

Im September hatte Milton Guerry, Präsident der International Federation of Robotics (IFR), frohe Botschaften zu verkünden: Ende 2019 waren etwa 580.000 Industrieroboter in Europa installiert – sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Klassenprimus innerhalb der EU ist einmal mehr Deutschland.

Michael Lind schreibt seit 30 Jahren für und über die nationale und internationale Roboter- und Automatisierungsbranche. Er war knapp zwei Jahrzehnte lang Chefredakteur (später auch Herausgeber) einer Zeitschrift zu diesen Themen. (Bild: Michael Lind)

Hierzulande sind im vergangenen Jahr 20.400 Roboter verkauft worden, was die Installationsbasis auf insgesamt 221.500 Einheiten gesteigert hat. Zum Vergleich: In Italien arbeiteten 74.400 Roboter, in Frankreich 42.000, in Großbritannien 21.700. Alle anderen Länder sind quasi Entwicklungsgebiete in Sachen Roboterautomation, wobei Marktexperten Spanien noch das größte Potenzial testieren.

Im internationalen Vergleich der jährlichen Roboterinstallationen führt China, gefolgt von Japan, Südkorea und den USA. Deutschland liegt auf Rang fünf. Laut IFR sind 2019 im Reich der Mitte etwa 140.500 Industrieroboter neu installiert worden, mehr als 70 Prozent davon stammen allerdings nicht von chinesischen Roboterbauern. Besonders deutlich macht das ein Blick auf die Installationszahlen in der chinesischen Automobilindustrie. In dieses Marktsegment lieferten ausländische Hersteller 29 Prozent ihrer Geräte, chinesische hingegen nur zwölf Prozent.

Entsprechend sieht die Rangliste der in China erfolgreichsten Roboterbauer Fanuc vor Kuka, ABB, Yaskawa und Kawasaki. Erst auf den Plätzen sechs und sieben tauchen zwei chinesische Hersteller auf: Honyen, spezialisiert auf Schweißroboter, und Siasun, mit einem breiten Produktspektrum fokussiert auf den Automobilbau. Die Optik mancher Siasun-Roboter erinnert allerdings frappierend an die anderer Hersteller wie Epson, Kuka oder Yaskawa. Nach OTC und Panasonic auf den Plätzen acht und neun folgt ein weiteres chinesisches Unternehmen: Estun Automation. Dieser Konzern hat (weitgehend unbeachtet) im vergangenenen Jahr die Firma Carl Cloos Schweißtechnik in Haiger übernommen – ein weltweit anerkanntes Schwergewicht bei roboterbasierten Schweißanlagen, ähnlich wie Kuka Systems.

Apropos Kuka: Die Augsburger Roboterschmiede gehört bekanntermaßen seit 2016 dem chinesischen Haushaltsgerätebauer Midea. Der hatte für die Kuka-Standorte zwar eine Beschäftigungsgarantie bis 2023 abgegeben. Ungeachtet dessen hat Kuka in den vergangenen Jahren seine hiesige Belegschaft um etwa 500 Mitarbeiter auf 3.500 reduziert. Den Abbau von weiteren 250 Arbeitsplätzen wollte Vorstands-Chef Peter Mohnen jüngst nicht mehr ausschließen. Corona-bedingt, wie er begründete, weil Umsatz (1,17Mrd.? bzw. -24%) und Auftragseingang (1,24Mrd.? bzw. -31%) gegenüber dem Vorjahr im Keller sind.

Die Geschäfte der Anlagenbau-Sparte Kuka Systems beleben soll seit Jahresanfang ein neuer CEO: Gerald Mies. Insider kennen ihn sicher noch aus Zeiten, als er das Vertriebsgeschäft für Fanuc Deutschland verantwortet und anschließend die Geschäfte der bereits genannten Carl Cloos Schweißtechnik geführt hat. Die Personalie an sich weckt Erwartungen. Zaubern kann allerdings selbst Gerald Mies nicht. Kuka wieder in die Erfolgsspur zu bringen, ist und bleibt ein – wenigstens – mittelfristiges Projekt.

Die eingangs genannte Zahl von 20.400 in Deutschland neu installierten Robotern sollten sich die hierzulande aktiven Roboteranbieter vielleicht in Stein meißeln lassen; mitsamt ihren jeweils eigenen Verkaufszahlen. Das diesjährige Ergebnis wird deutlich schlechter ausfallen, zumal auch noch die Automatica 2020 Corona-bedingt abgesagt worden ist. Diese Fachmesse ist nun mal der verpflichtende Treffpunkt für Unternehmen der Automatisierungsbranche und Investoren.

Entsprechend kleinere Brötchen backt denn auch der VDMA-Fachverband Robotik + Automation. Hatten seine Mitgliedsunternehmen in den Sparten Robotik, Montage- und Anlagenbau sowie Bildverarbeitung 2019 noch knapp 15Mrd.? umgesetzt, so gehen die aktuellen Prognosen im laufenden Jahr von einem 20-prozentigen Minus aus. Damit würde die Branche in etwa ein Umsatzvolumen wie 2015 erzielen. Klar, ein derartiger Umsatzrückgang senkt bei jedem Unternehmen das Budget für neuerliche Investitionen. Aber erinnern wir uns doch mal an 2015. Damals hat deutschlandweit nahezu die gesamte Automatisierungsbranche ihren 12,2Mrd?-Umsatz begeistert gefeiert. Und jetzt geben sich alle Unternehmen irgendwie bedröppelt…?

Nein, es gibt kein unbegrenztes Wachstum, ganz gleich, wie sehr man sich selbst mitsamt seinen Mitarbeitern im geschäftsalltäglichen Hamsterrad auch abstrampelt. Das akut Schlimme jenseits aller ‚Schweinezyklen‘ ist, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie uns alle noch weit in das kommende Geschäftsjahr hinein begleiten werden. (mli)

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