Erfahrungen mit Exoskeletten aus der Praxis
Länger fit?
Anlässlich der 17. Ausgabe der Fachmesse Logimat in Stuttgart richtete der Veranstalter gemeinsam zusammen mit dem Verein Intralogistik-Netzwerk BW das Vortragsforum ‚Länger fit dank Exoskelett?‘ aus. Es stieß bei den Messebesuchern auf sehr großes Interesse – kein Platz im Forum war mehr frei.
Gegenwärtig sind Exoskelette, also am Körper getragene Unterstützungssysteme, die bei menschlichen Tätigkeiten mechanisch mithelfen, in der innerbetrieblichen Logistik noch wenig verbreitet. Solche Mensch-Maschine-Kombinationen werden mit den Erwartungen verknüpft, die körperliche Leistungskraft des Menschen zu steigern oder den Menschen zumindest vor Fehlbelastungen, Überlastungen und Verschleiß zu bewahren. Zum Heben und Tragen von Lasten gibt es bereits verschiedene körpernahe Lösungen am Markt. Im Logimat-Forum fassten drei Experten unter der Moderation von Dr. Klaus Schmitt, Vorstandsmitglied des Intralogistik-Netzwerks BW, den aktuellen Stand der Dinge zusammen:
Ergebnisse eines Praxisversuchs bei Fiege
Michael Suden leitet als Managing Director Business Unit Industry Logistics die Geschäfte von zehn deutschen Standorten der Fiege-Logistik-Stiftung. Die Unternehmensgruppe positioniert sich unter den führenden Logistikanbietern Europas und hat sich in diesem Marktsegment auf effiziente Lösungen spezialisiert. Das traditionsbewusste Unternehmen erfindet sich immer wieder neu, um im Zeitalter von Digitalisierung und Automatisierung auf dem neuesten Stand zu sein. Suden hat mit seiner Belegschaft in Worms Erfahrungen im Einsatz von unterschiedlichen Wearables gesammelt, z.B. auch mit Datenbrillen für Pick-by-Vision-Lösungen. Aus dem zertifizierten Gesundheitsmanagementsystems des Unternehmens resultierte die Empfehlung, körperliche Anstrengungen unter anderem beim Entladen von Containern im Wareneingang oder bei der Paketverladung im Warenausgang weiter zu verringern. Skelett- und Muskelerkrankungen verlaufen besonders langwierig, weshalb deren Prävention auch aus Arbeitgebersicht große Bedeutung beigemessen wird. Die am Standort Worms gehandhabten Pakete wiegen zwischen 7 und 31,5kg, pro Tag sind bis zu 7.000 Pakete zu bewegen. Aufgrund der flexibel zu haltenden Prozessabläufe können statische Hebesysteme nur begrenzt zum Einsatz kommen, weshalb von Juli bis September 2018 die erste Erprobungsphase eines Exoskeletts durchlaufen wurde. 26 Probanden aus unterschiedlichen Lagerbereichen speisten ihre Erfahrungen mit dem hier verwendeten mechanisch unterstützenden System in die Auswertung ein. Unterstützt wurden insbesondere Bück- und Hebetätigkeiten, wobei Überkopfbewegungen aufgrund der Einrichtung der Arbeitsplätze bereits weitgehend ausgeschlossen sind.
Kurze Tragezeit, geringer Effekt
In dieser ersten Erprobungsphase zeigte sich, dass eine Eingewöhnung erforderlich ist. Einzelne Probanden kamen mit dem System nicht zurecht: Bei kurzen Tragezeiten von einer Stunde oder weniger fiel es ihnen schwer, sich auf das System einzustellen, so dass kaum positive Effekte zu verzeichnen waren. Wird das System hingegen über mehrere Stunden und Tage eingesetzt, ergaben sich spürbare Entlastungen. Einmal mehr zeigte sich außerdem, dass für die Akzeptanz von Neuerungen eine aktive Begleitung seitens des Führungspersonals äußerst wichtig ist – hier profitiert die Belegschaft direkt vom implementierten Changemanagement-System der Fiege-Gruppe. Michael Suden präsentierte das eingesetzte Exoskelett live während des Forums zusammen mit einem seiner Mitarbeiter: Es entspricht mit 2,8kg Gewicht ungefähr einem Wintermantel, und lässt sich innerhalb einer halben Minute an- bzw. ablegen. Auf Nachfragen aus dem Publikum bestätigte der Mitarbeiter, dass er das System sehr zu schätzen gelernt habe. Das Unternehmen will aufgrund der gesammelten Erfahrungen ab März den Praxisversuch mit Unterstützung des Fraunhofer IML weiter ausrollen.